
© Aline von Drateln
Kuschel-Rock im Kammermusiksaal : Jubiläumskonzert zur 30-jährigen Städtepartnerschaft Berlin – Beijing
Wegen eines Irrtums kommt unsere Kolumnistin zum Konzert für den deutsch-chinesischen Kulturaustausch fast zu spät. In der Pause wird sie auf ihre spitze Zunge angesprochen. Auch darauf hat sie eine Antwort.
Stand:
Weil in Amerika gerade ein neuer Geldadel die Alleinherrschaft übernimmt, kommt einem die sogenannte Volksrepublik China plötzlich gar nicht mehr so schlimm vor. So machte ich mich Mittwochabend auf, um der Einladung von Professorin Yu Zhang zu folgen, der charismatischen Präsidentin der Gesellschaft für deutsch-chinesischen kulturellen Austausch.
Zhang, stets wie ein schöner Schmetterling gut gelaunt umherflatternd und kompetenten Optimismus verbreitend, ist das personifizierte „Wir schaffen das!“, aber in gut gekleidet.
In Berlin ist sie besser vernetzt als Tech-Milliardäre in Washington, weshalb sich zum Sonderkonzert des 30-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft Berlin-Beijing Prominente mit geringer Klassik-Erfahrung einfinden. So wie Michael Michalsky. Und ich.
Punkt halb sieben treffe ich ihn bei Minusgeraden vor der verschlossenen Tür der Philharmonie. Und stellen erst nach Minuten fest, die Gebäude verwechselt haben. Das Event „Music connected!“ findet nicht hier, sondern im Kammermusiksaal statt. Ein klassischer Berliner Fauxpas, der den Modemacher für die Moderation von ttt qualifiziert.
Nebenan im warmen Foyer werde ich ein wenig süßsauer von der PR-Dame am Pressecounter empfangen. In der Vergangenheit fand ich mal ein Event von ihr nur so mittel und hatte das dann auch so geschrieben. Als würden sie dafür bezahlt werden, strahlen dagegen die Gäste auf dem roten Teppich: Dennenesch Zoudé, Annabelle Mandeng. Regina Ziegler ist mit Tochter Tanja und Enkelin Emma hier. Und Simone Thomalla.

© Aline von Drateln
Bevor das Orchester aus deutschen und chinesischen Musikern unter der Leitung von Gastdirigentin Cara Xu beginnt, hält der Regierende Bürgermeister Kai Wegner eine Rede, in der er Völkerverständigung durch Musik anpreist und die fast 1000 Gäste für ihr Kommen lobt. Anschließend hält der chinesische Botschafter S.E. Deng Hongbo die gleiche Rede. Nur eben auf Englisch.
Lieber eine spitze als eine gespaltene Zunge
Während des ersten Konzertteils sitzen hinter mir vier junge Chinesen in bunten Adidas-Jacken. Es ist die Band Mosaik, die später die Bühne „rocken“ – wie Philharmonie-Abonnenten es vermutlich ausdrücken würden – und Professorin Jutta Almendinger zu lauten Ausrufen der Begeisterung hinreißen wird. In der Pause spricht mich jemand an. Sie fände meine Texte so mutig. „Warum das denn?“, frage ich erstaunt. „Ich hätte Angst, mit so einer spitzen Zunge von einigen nicht mehr eingeladen zu werden.“
Dann werden Plüschschlangen an die Gäste in der V.I.P. Lounge verteilt. In China beginnt gerade das Jahr der Schlange. Lieber eine spitze Zunge als eine gespaltene, denke ich und würde an dieser Stelle gerne die deutsche Meinungs- und Pressefreiheit ausreizen. Aber auch der zweite Teil des Konzerts war einfach nur schön.
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