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Berlin: Laichen ohne Leichen

In Lübars finanziert das Auswärtige Amt fünf Tunnel für Kröten und Frösche, damit Amphibien nicht mehr unter die Räder kommen

„Im Landschaftsschutzgebiet Tegeler Fließ, da ging’s den Kröten bisher mies“, reimte Baustadtrat Michael Wegner (CDU) zum Rosenmontag. Doch die Besichtigung der Fließtalbrücke – unweit des Freibads Lübars – wollte Wegner nicht als Karnevalsscherz verstanden wissen. Für 230000 Euro werden hier seit Montag fünf Tunnel gebaut, damit jährlich rund 4000 Kröten und Frösche die Fahrbahn der Straße Am Freibad unterqueren können.

Der Kommunalpolitiker gab zu , dass es angesichts der Haushaltslage auch Kritik an dem teuren Projekt gibt. Doch die Landeskasse wird nicht belastet, die Reinickendorfer Amphibien sind eine diplomatische Angelegenheit.

Mit dem Ausbau seiner Diplomatenschule auf der Halbinsel Reiherwerder hatte das Auswärtige Amt nicht nur Senats- und Bezirksbehörden, sondern auch die Naturschutzverbände auf den Plan gerufen. Denn wer im Tegeler Forst baut, muss dafür andernorts ins Grün investieren. Weil der Naturschutzbund (Nabu) auf eine ortsnahe Lösung drängte, musste Außenminister Joschka Fischer die Kröte schlucken und in die Amphibien-Unterführung investieren.

Die Strecke gehört laut Senats-Naturschützer Johannes Schwarz zu den „Brennpunkten“ des erdnahen Wildwechsels in Berlin. Immer im Frühjahr machen sich Grasfrösche, Erdkröten, Moor- und Teichfrösche zu den Laichgebieten auf der anderen Straßenseite auf. Viele Tiere kamen dabei unter die Räder. Seit 1989 werden deshalb Plastikzäune aufgestellt, an denen die Amphibien abrutschen und in bereitgestellte Eimer fallen. Sie werden täglich von Helfern über die Fahrbahn getragen und geleert. Das funktionierte bisher aber nur in eine Richtung. Der Rücktransport ist nämlich mit ehrenamtlichen Krötenträgern nicht mehr zu bewältigen: Den Rückweg treten Eltern- und Jungfrösche individuell über den ganzen Sommer verteilt an. Darum werden jetzt bis Juli gleich fünf rund zehn Meter lange Tunnel gebaut. Die Straße wird für Autofahrer jeweils halbseitig gesperrt. Bei einer Tunnelbreite von einem Meter und einer Höhe von 60 Zentimetern wird auch die fetteste Kröte nirgends anecken. Ein Leitsystem aus kleinen Zäunen soll nicht nur Amphibien auf den richtigen Weg bringen, Maus und Igel sollen gleich mit profitieren. 230000 Euro seien angesichts so viel Luxus ein günstiger Preis, sagte Stadtrat Wegner. Die Baufirma habe Rabatt gegeben.

Auf einen sechsten Tunnel wurde verzichtet, damit die Summe des Auswärtigen Amtes ausreicht. Aus Texas meldeten sich unterdessen die Betreiber einer ähnlichen Anlage und warnten ihre Kollegen im Reinickendorfer Rathaus. Denn im Wilden Westen haben sich die Tunnelzugänge zum beliebten Jagdrevier für Schlangen entwickelt. Solche Gefahren sind in Lübars nicht zu befürchten: Hier gibt es nur einige wenige Ringelnattern.

Rainer W. During

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