Berlin: Leicht und leidenschaftlich
Leserkochkurs mit Peter Maria Schnurr im Capital Club
Das Schlimmste am feinen Essen: Die Köche basteln in stundenlanger Arbeit Delikatessen zusammen, die der Gast vorn in drei Minuten aufisst. Ein Missverhältnis, das normalerweise niemanden stört – bis die Gäste plötzlich in der Küche stehen und selbst Hand anlegen müssen, Muscheln aufbrechen, Saiblinge entgräten, Ravioli füllen ohne Ende. Doch sie taten es ja freiwillig. Ein gutes Dutzend TagesspiegelLeser war dabei, als sich die sonst für Außenstehende fest verschlossenen Türen des Capital Clubs am Gendarmenmarkt für einen halben Sonntag auftaten: Peter Maria Schnurr, der unbekannteste Spitzenkoch der Stadt, hatte zum Kochkurs geladen: Fisch, Meeresfrüchte nach Art der „Cuisine passion légère“, einem Titel, den sich Schnurr sogar schützen ließ.
Der 33-jährige Badener setzt also auf leidenschaftliche Leichtigkeit, was nicht heißt, dass die Gäste nach dem eleganten Fünf-Gang-Menü nebst ein paar Kleinigkeiten nicht doch angenehm gesättigt den Heimweg angetreten hätten. Bis dahin wurde gearbeitet, überraschend intensiv für einen kurzen Kochkurs, den Laien meist nur zum konzentrierten Zuschauen nutzen. Hier aber kamen überwiegend gereifte Hobbyköche zusammen, die nicht lange fragen müssen, wie man einen Hummer kocht. Ja, vor allem Männer packen auch bei eher gering geschätzten Tätigkeiten wie dem Kartoffelschälen oder Hummerscherenknacken gern an, fallen dabei in meditative Versenkung – während die Profis ihren Gerätepark arbeiten lassen. Der Paco-Jet macht aus gekochtem Romanesco zackzack ein fluffiges Püree, der Saibling gart sanft bei exakt 66 Grad in einem kleinen Öfchen.
Doch Handarbeit ist nicht passé. Kräuter hacken bis zur Atomisierung, gekochten Kalbskopf in akkurate Quadrate schneiden, den Imperial-Kaviar mit flinkem Griff entdosen - da packt der Chef am liebsten selbst mit an. Irgendwann soll es dann auch Essen geben, auf solidem Sterne-Niveau, und dann werden die Amateure nach draußen geschickt, während drin die Profis zeigen, wozu sie den Beruf richtig gelernt haben. Wäre dies denn ein öffentliches Restaurant, dann würden diese Gäste gern wiederkommen; für ein paar begehrliche Blicke beim Flanieren am Gendarmenmarkt reicht es auf jeden Fall. bm
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