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Simsalabim ohne Konventionen. The Great Joy Leslie (l.) und Siegfried d’Amour entstauben das Geschäft mit der Zauberei.

© Georg Moritz

Magisches Berlin: Was Neues im Hut

Zaubershows sind steif und viel zu teuer? Das Duo „Siegfried & Joy“ steht für eine Szene, die frische Ideen und Tricks auf Berliner Bühnen bringt

Wenn sie in ihre Arbeitsmontur schlüpfen, verwandeln sich die beiden jungen Männer. Dann sind sie The Great Joy Leslie, stolz mit einem enormen glitzernden „J“ an der Gürtelschnalle, und Siegfried d'Amour, verspielt im bodenlangen Tiger-Frack mit Krallen am unteren Saum. „Simsalabim, die magische Geste“, ruft Siegfried und zieht Joy die verschwundene Herz Acht aus dem Mund. Als Zauberer-Duo Siegfried & Joy fliegen bei ihnen Karten und sogar ein Tisch über die Bühne, Gegenstände finden sich an verblüffenden Orten wieder, Becher die gerade noch voll waren, sind plötzlich leer.

Die Klassiker eben. Doch Siegfried und Joy haben mehr zu bieten. Sie tanzen, sie reißen Witze, sie haben Spaß. „Gut siehst du aus“, umgarnt Siegfried seinen Zauberpartner und streicht ihm die dunklen Haare aus der Stirn. 400 Zuschauer waren beim bislang größten Auftritt des Berliner Zauberer-Duos dabei, Ende vergangenen Jahres im Neuköllner Heimathafen.

Gezaubert wird auf der Straße, in Bars, an der Uni

Wenn sie die Gürtelschnalle und den Tiger-Frack ablegen, sind sie Nico Donner und – Joy Leslie. Der 29-jährige Neuköllner will ein wenig geheimnisvoll bleiben. Er sei ein „Quereinsteigerzauberer“, erst seit vier Jahren beschäftigt er sich intensiv mit der Zauberkunst. Sonst arbeitet er für Musik-Veranstaltungen. Nico Donner dagegen hat die klassische Magier-Laufbahn eingeschlagen: Er zaubert, seit er mit acht Jahren einen Zauberkasten bekam. Der 21-jährige gebürtige Spandauer war sogar mal Deutscher Jugendmeister der Zauberkunst. Neben seinen Shows mit Joy Leslie studiert er Musik, Ethik und Philosophie, sein Gegenprogramm zum Simsalabim.

Ihre Programm ist, pardon, magisch: Nico als Vertreter der klassischen Schiene, der mühelos Karten aus dem Nichts hervorholt und durch die Luft wirbeln lässt. Joy als Quereinsteiger, der unbekümmert neue Unterhaltungsformen auf der Bühne ausprobiert. Er findet klassische Zaubershows steif und viel zu teuer. Darum hat er kräftig mitgeholfen, in Berlin eine neue Szene zu etablieren, auf den Straßen und in Bars wird immer mehr gezaubert, selbst beim Hochschulsport der Technischen Universität kann man einen Zauberkurs belegen. Im „Dunmore Cave“ am Kreuzberger Maybachufer etwa wandert alle zwei Wochen ein Zauberer von Tisch zu Tisch. Der „Merlin Zauberslam“ im Pfefferberg Theater in Prenzlauer Berg vergibt bald zum vierten Mal den Hasenpokal. Der dritte ging an Siegfried & Joy. Ihre nächste Show Ende April findet ebenfalls im Pfefferberg Theater statt.

Magie ist, wenn der Funke überspringt

Gerade sind sie von ihrer zweiten Tour zurück. In Leipzig gab es einen Zwischenfall. „Dieser Typ, lange, blonde Haare“, erzählt Nico und bricht lachend ab. Joy erklärt: „Wir haben ihm Kirschsaft über den Kopf gegossen.“ Der Trick mit dem leeren Becher ging schief. „Das hat uns aber keiner übel genommen“, sagt Nico. Wenn der Funke zum Publikum überspringt ist das für sie die wahre Magie.

Jetzt sitzen sie im Hinterzimmer eines Schöneberger Zauberei-Fachgeschäfts. Hier im „Fabiolus“ haben sie sich kennengelernt. Nico leitete im Hinterzimmer gerade einen Zauberkurs, als er nach vorne gerufen wurde. Er trat durch den roten Samtvorhang und da stand Joy Leslie, der um die Demonstration eines Tricks bat. „Am Ende hatte ich einen Penis in der Hand“, sagt Joy. Nico hatte einen zerdrückten Ball in Joys Hand gezaubert. Als der sich öffnete, richtete sich das Gemächt aus Schaumstoff auf – der Beginn von Siegfried & Joy.

Las Vegas? Nein, danke!

Es gehört schon eine gewisse Unbeirrbarkeit dazu, erst wenige Monate zu zaubern, sich dann „The Great Joy Leslie“ zu nennen und vor Kneipenpublikum aufzutreten. Für Joy kein Problem. „Ich bin im Theater aufgewachsen.“ Sein Vater war Pantomime und zeigte ihm erste Zaubertricks. Als Joy Jahre später nach Berlin zog, weckte der Neuköllner Laden „Zauberkönig“ erneut sein Interesse. Er besorgte sich Trickanleitungen, übte, trat in Bars auf, bis er regelmäßig eine Show in der Neuköllner Kneipe „Rotbart“, nahe des S-Bahnhofs Sonnenallee hatte.

Nico Donner konnte da schon auf eine beachtliche Karriere als Zauberkünstler blicken. Er ist zu bescheiden, um es selbst zu erzählen, also übernimmt Joy: „Komm schon, du warst für den Geburtstag von Matthias Schweighöfers Sohn gebucht.“ Auf den ersten Zauberkasten folgten bei Nico diverse Zauberkurse, erste Auftritte, Wettbewerbe, dann die erste Show bei einer Hochzeit, das erste Firmenevent. Nach dem Abitur wurde Nico mit 19 Jahren als Zauberkünstler für eine Kreuzfahrt angefragt. Viereinhalb Monate mit einem Fünf-Sterne-Schiff rund um Südamerika – das ist schon nahe dran an Las Vegas. „Es war furchtbar“, sagt Nico. Die Dekadenz auf dem Schiff, die geringe Aufmerksamkeit eines Publikums, das von früh morgens bis spät abends hofiert wird – das war nichts für ihn. Nach seiner Rückkehr war Nico bereit für eine Veränderung.

Fernsehen, Festivals, vielleicht bald eine feste Show?

Als Joy für einen Auftritt in der Berghain-Kantine gebucht wurde, hieß es, er könne einen weiteren Zauberkünstler mitbringen. Also fragte er Nico. Sie improvisierten einen gemeinsamen Auftritt und witzelten, sie könnten sich doch „Siegfried & Joy“ nennen. Daraus ist ihre 90-minütige Show geworden, mit der sie heute auftreten. Was sie als magisches Duo noch erreichen wollen? Erst einmal ist ein Auftritt in der Show „Nightwash“ des Senders One geplant, im Sommer sind sie für Festivals gebucht, vielleicht gibt es irgendwann auch eine regelmäßige Show in Berlin. Wer braucht da schon Las Vegas?

„Die große Frühlings-Zaubershow mit Siegfried & Joy“ am 25. April im Pfefferberg Theater, Schönhauser Allee 176. Beginn ist um 20 Uhr, Karten kosten 15 Euro und sind erhältlich über www.pfefferberg-theater.de.

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