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Berlin: Maut: Von London lernen

In Berlin könnte es 15 Prozent weniger Fahrten in die City geben

Von Klaus Kurpjuweit

und Christian van Lessen

Hätte Berlin eine City-Maut wie London, könnte die Zahl der Fahrten in die Innenstadt um 15 Prozent zurückgehen. Der Verkehrsexperte Lutz Kaden vom Fachbereich Straßenplanung der Technischen Universität erinnerte gestern an eine Umfrage, die von der TU schon vor einigen Jahren unter Autofahrern gemacht wurde. Dabei ging es allerdings um eine mögliche Mautgebühr von lediglich zwei Euro. Würde man die Maut nur morgens von 7 bis 9 Uhr erheben, wären sogar 40 Prozent der Befragten bereit, in dieser Zeit nicht mit dem Auto in die City zu fahren.

Das Londoner System sei zwar für Berlin wegen des unterschiedlichen Verkehrs und Pendler-Verhaltens nicht sinnvoll, sollte aber als mögliches Beispiel langfristig im Auge behalten werden, sagte Kaden. Als „beispielgebend für die Metropolen der Welt“, bezeichnete Michael Cramer, der Verkehrsexperte von den Bündnisgrünen, das Londoner Vorgehen. Berlin sollte sich aber zunächst kein Beispiel nehmen, sondern die Parkraumbewirtschaftung erweitern. Auch Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (CDU) will London nicht nachahmen.

Seit Montag wird dort die Fahrt in die City zum teuren Vergnügen für Autofahrer. Fünf Pfund (7,60 Euro) werden werktags zwischen 7 und 18.30 Uhr fällig. Im Vergleich zu London, das im Verkehr zu ersticken droht, herrschten in Berlin fast „paradiesische Zustände“ auf den Straßen, sagt der Umweltexperte Lutz Wicke, einst Staatssekretär in der Umweltverwaltung. Staus seien in Berlin verhältnismäßig selten, und Parkplätze vor allem auch wegen der Gebührenpflicht in der Innenstadt reichlich vorhanden. Ohne Notwendigkeit sei eine Maut ein „Abzocken“ der Autofahrer. Beobachten solle man das Londoner Modell aber trotz allem. Der Autofahrerverband ADAC lehnt eine City-Maut grundsätzlich ab. Technisch sei sie nur mit sehr hohem Aufwand umzusetzen. Zudem diskriminiere sie als Pauschalgebühr Autofahrer mit einem geringen Einkommen.

Durch ein attraktives Nahverkehrssystem hätten es viele Kommunen geschafft, dass ein Großteil der Pendler, Einkäufer und Besucher nicht mehr mit dem eigenen Auto in die Innenstadt fahre, heißt es beim ADAC in München. Als Steuerungsinstrument für die Verkehrslenkung hätten sich in Deutschland die Parkgebühren durchgesetzt.

Hier will auch Verkehrsexperte Cramer ansetzen. Innerhalb des S-Bahn-Rings und in den bezirklichen Zentren im Außenbereich sollten die Gebühren fürs Parken erhöht werden. In den vergangenen Jahren habe sich der Preis für Fahrten mit Bahnen und Bussen verdoppelt, die Parkgebühren seien unverändert geblieben.

In London werden die etwa 250 Zufahrtsstraßen zu einem 21 Quadratkilometer großen Gebiet rings um Big Ben mit 500 Kameras überwacht. Sie registrieren bis zu vier Mal die Nummernschilder der Autos und leiten sie an eine Zentrale weiter. Dort werden sofort die Daten der Fahrzeughalter ermittelt und geprüft, ob für das Fahrzeug die Maut bereits vorher im Abonnement bezahlt worden ist. Sonst muss das Geld bis 22 Uhr eintreffen – per Post, Internet, Telefon oder über die Bank. Wer bis Mitternacht nicht gezahlt hat, ist dann mit dem doppelten Betrag dabei. Und wer weiter säumig bleibt, kann ein Strafmandat bis zu 120 Euro erwarten. Notorischen Zahlungsverweigerern droht die Zwangsversteigerung oder gar die Verschrottung ihres Autos. Auch Touristen, die mit dem eigenen Auto in Londons Zentrum fahren wollen, müssen blechen.

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