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Berlin: Mehrheit der Hauptschulleiter fordert: Schluß mit der alten Schule

Als Reaktion auf den Abwärtstrend eine Kombination mit den Realschulen verlangtVON REGINA MÖNCH BERLIN.Etwa 1300 Plätze an Berliner Hauptschulen bleiben frei, und damit nimmt der Abwärtstrend der stigmatisierten "Restschule" weiter seinen Lauf.

Als Reaktion auf den Abwärtstrend eine Kombination mit den Realschulen verlangtVON REGINA MÖNCH BERLIN.Etwa 1300 Plätze an Berliner Hauptschulen bleiben frei, und damit nimmt der Abwärtstrend der stigmatisierten "Restschule" weiter seinen Lauf.Die Reaktion: In einem Brief an den Tagesspiegel plädieren 40 Hauptschulleiter - 56 gibt es insgesamt - für die Abschaffung der Hauptschule in ihrer jetzigen Form.Sie fordern, die Haupt- mit den Realschulen zu kombinieren.Der Beirat von Schulleitern für die Mittelstufe (Klassen 7 bis 10) hat die Schulverwaltung außerdem aufgefordert, die seit 20 Jahren als Modell existierende Kombination von Haupt- und Realschulen endlich zu legalisieren. Dafür soll der Artikel 56 des Berliner Schulgesetzes geändert werden.Was für Laien harmlos klingt, dürfte Anhänger der alten Strukturen alarmieren.Die Lobby der Realschulen - eher konservativ geprägt - fürchtet von einem Kombi-Projekt Konkurrenz, die Lobby der Gesamtschulen - vor allem im traditionellen SPD-Spektrum angesiedelt - ebenfalls. In der Schulverwaltung gibt es keine klare Linie.So hatte die Senatsverwaltung zunächst einen Antrag auf Integration der Schlesien-Hauptschule mit einem Realschulangebot abgelehnt.Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) hat diese Ablehnung rückgängig gemacht."Ich möchte, daß wir das Kombinations-Konzept fördern", sagte Stahmer dem Tagesspiegel.Sie hat bereits eine entsprechende Richtungsentscheidung gefällt."Die Haupt-Realschule verbessert die Ausgangsposition ihrer Schüler auch bei der Lehrstellensuche", sagt die Senatorin.Ob aber die Fraktionen im Abgeordnetenhaus einer Gesetzesänderung zustimmen würden, ist keineswegs sicher. Doch eine solche Änderung liegt im Zug der Zeit.Viele Gesamtschulen, mit dem Credo der Chancengleichheit angetreten, sind nur noch eine statistische Mogelpackung.Die leistungsstarken Schüler laufen in die Gymnasien davon.Inzwischen stellen sie nur noch etwa 10 Prozent der Gesamtschüler, 33 müßten es aber sein.Dem gegenüber steht die wachsende Zahl der Schüler mit Hauptschulempfehlung an Gesamtschulen.Statt einem Drittel, dem klassischen Gesamtschul-Limit, sind es oft 60 Prozent, an einigen sogar 80. Sybille Volkholz, Ex-Schulsenatorin und bildungspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, würde eine konsequente Reform bis zur Gesetzesänderung unterstützen."Es geht dabei niemandem etwas verloren, was er nicht schon verloren hat", sagt sie."Konkurrenz" sei kein Argument, vielmehr führten zur Integration viele Wege. Unter den zunehmenden sozialen Konkurrenzkämpfen leidet vor allem das Image der Hauptschulen.Zwar sind in vielen Hauptschulen die Unterrichtskonzepte auf die schwierigen Kinder zugeschnitten - so gibt es nur noch hier kleine überschaubare Klassen.Aber das hat nicht verhindert, daß ihre Schülerzahlen von einst 41 Prozent eines Jahrganges auf nun 6,4 Prozent sanken.Warnungen vor den Folgen hat es viele gegeben, auch Absichtserklärungen der Politik. Doch den Eltern gilt die Hauptschule als eine Schule, die man dem eigenen Kind nicht zumuten will.Und so gehen auf Hauptschulen vor allem problembeladene Kinder, deren Lebenskonflikte oft ihren Lernwillen erdrücken.Sie kommen aus zerrütteten Familien, sind Flüchtlingskinder mit mageren Deutschkenntnissen oder haben Schule zu lange als Ort des Versagens erlebt, sind Sitzenbleiber, die die Real- oder Gesamtschule nicht schafften.Das frustriert und schafft, so sagen selbst überzeugte Hauptschullehrer, eine zuweilen explosive Mischung.Diese Ballung von Konfliktstoff ist es auch, die die Schulleiter als die Grenzen jeder pädagogischen Arbeit sehen. 40 Hauptschulleiter besuchten kürzlich Hamburg, um sich dort einen Ausweg aus dem Dilemma anzuschauen.Die Hansestadt praktiziert seit zehn Jahren mit Erfolg, was die Berliner nun vehement fordern: Hier gibt es nur noch kombiniert oder integriert geführte Haupt- und Realschulen.Halbjährlich haben Schüler die Chance, zu wechseln. Armin Gutt, Schulleiter einer Tempelhofer Kombi-Haupt-Realschule, hat ähnliche Erfahrungen gemacht.Die Erfolge seiner Schule verschaffen den Absolventen häufiger Lehrstellen als anderswo.In diesem Jahr, da andere Hauptschulen Klassen wegen mangelnder Nachfrage schließen, muß er 70 Haupt- und 80 Realschüler an andere Schulen abgeben, weil der Platz fehlt.Es gebe entschieden weniger Gewalt an seiner Schule, sagt Gutt.Viele Hauptschüler machten weiter bis zum Realschulabschluß, und 1996 konnte ein Drittel der Realschul-Absolventen wechseln - sie lernen bis zum Abitur.

REGINA MÖNCH

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