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Jens Hanke ist  Gründer und Geschäftsführer von Graforce.  Die Firma aus Adlershof hat ein Verfahren zur Herstellung von CO₂-freiem Wasserstoff aus Methan, Abwasser oder Plastikmüll entwickelt.

© PR/Graforce

Mein erster Job: Im Studium 50 Essenslieferungen pro Tag in Berlin ausgefahren

Jens Hanke war schon immer von Technik fasziniert. Im Studium brachte er Senioren ihre bestellten Mahlzeiten und programmierte selbst die Route für die Fahrten dorthin.

Eine Kolumne von Jens Hanke

Stand:

Ich war schon als Kind von technischen Lösungen und Robotern fasziniert. Ich wollte Maschinen erfinden, die unser Leben besser und einfacher machen. Ob am Strand oder abends im Bett – oft habe ich mir fantastische Projekte ausgedacht und mich dabei von Jules Verne und anderen ‚Zukunftserfindern‘ inspirieren lassen. Heute weiß ich, es ist ein schmaler Grat zwischen Spinnerei und Innovation. Aber ich habe meine Ideen hartnäckig verfolgt. Beispielsweise wollte ich immer programmieren und habe dazu nachts den ersten Basic-Taschenrechner meines Vaters genutzt. Ich dachte mir, da steckt doch viel mehr drin als man denkt.

Mein Mathematikstudium wäre beinahe an der Finanzierung gescheitert.

Jens Hanke, Chef von Graforce aus Adlershof

Es hat mir immer geholfen, dass ich mich sehr stark fokussieren kann und nicht zweifle. Viele geben gleich am Anfang auf, setzen zu stark auf Sicherheit und konzentrieren sich auf Hindernisse. Wenn ich so gestrickt wäre, hätte ich gar nicht studiert. Denn nach meiner Ausbildung zum Metallografen und Werkstoffprüfer am Lette Verein Berlin wäre mein Mathematikstudium beinah an der Finanzierung gescheitert. Ich brauchte unbedingt ein geregeltes Einkommen.

Jeden Morgen drei Stunden Essen ausgefahren

Meinen ersten Job fand ich bei einem Essenslieferdienst für Senioren. Zum Glück hatte ich ein Auto: einen grünen, offenen Suzuki-Jeep. Die Menüs musste ich im Auto fest angurten, damit die Deckel während der Fahrt nicht wegflogen. Damit habe ich jeden Morgen drei Stunden Essen ausgefahren. Pro Tag waren das um die 50 Mahlzeiten. Und das muss man erstmal schaffen, denn die Senior:innen wollten ja nicht nur essen, sondern auch ein bisschen reden. Dafür gab es 1800 D-Mark im Monat. Zum Vergleich: Mein erster Computer, den ich mir zu dieser Zeit gekauft habe, hat 2100 DM gekostet und hatte immerhin schon 20 MB Festplatte.

Die handgeschriebene Adressliste bekam ich morgens in die Hand. Die beste Route musste ich mir mit dem Stadtplan selbst zusammenstellen. Ende der 80er Jahre gab es noch keine digitalen Maps. Mein Gebiet war Neukölln.

In unserer Serie berichten uns Persönlichkeiten aus der regionalen Wirtschaft in loser Reihenfolge über ihre ersten Jobs als Schüler oder Studenten.

© Tagesspiegel

So fit war ich später nie wieder, denn Fahrstühle gab es in den Altbauten kaum und ich musste mich beeilen, um rechtzeitig in der Uni zu sein. Was mir schnell aufgefallen ist: Die manuellen Abläufe waren sehr umständlich. Die Kunden wurden händisch auf Karteikarten geführt. Bei Anrufen schnell die richtige zu finden, kostete viel Zeit und nervte die Sekretärin.

Dafür hatte ich eine Idee: Eine Datenbank für den Kundenstamm – mit der auch Adresslisten für die Touren einfach gedruckt werden konnten. Da es sowas damals nicht gab, habe ich das Programm für die Firma selbst programmiert und machte mich so unentbehrlich. Mit dem Ausfahren und Treppensteigen war damit Schluss. Ich konnte meine Ideen verwirklichen und außerdem mein Gehalt auf einen Schlag verdreifachen.

Nach meinem Studium habe ich die Wartung und Weiterentwicklung der Programme einem Kommilitonen übergeben. Ich programmierte stattdessen in meiner ersten Anstellung als Wissenschaftler am Max-Delbrück-Centrum Neuronale Netzwerke zur Entschlüsselung der menschlichen DNA. Später habe ich dann einen weiteren Traum verwirklicht und Sicherheitsroboter gebaut. Der Prototyp entstand in meinem Keller. Tatsächlich waren sie dann bei der Fußball-WM 2006 im Olympiastadion und 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking im Einsatz. Jetzt arbeite ich daran, den Verkehr und das Heizen klimaneutral zu machen – mit Wasserstoff.

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