
© dpa/Klaus-Dietmar Gabbert
Mobbingskandale im Berliner Schulwesen: Bitte nicht noch eine Beschwerdestelle!
Es gibt in Berlin viele Beauftragte für Beschwerden und Diskriminierung. Einzelne Leute, die sicher gute Arbeit machen, doch das allein reicht nicht. Benötigt wird eine richtige Reform.

Stand:
Wie viele Antidiskriminierungsbeauftragte hat Berlin? Ein KI-Chatbot einer bekannten Suchmaschine liefert dazu folgende Antwort: „Insgesamt gibt es mehr als ein Dutzend beauftragte Personen, wobei die genaue Zahl je nach Definition und Einbeziehung aller spezialisierten Stellen variieren kann.“
Um es kürzer zu fassen: Es gibt die Landesstelle für Gleichbehandlung, es gibt Antidiskriminierungsbeauftragte in allen Bezirken, und verschiedene Stellen in unterschiedlichen Behörden, an die sich Menschen, die diskriminierende Erfahrungen gemacht haben, wenden können. Hinzu kommen Antimobbingbeauftragte, Integrations-, Frauen- und Queerbeauftragte.
Bei den Schulen sind sowohl die Schulaufsicht als auch eine zentrale Stelle innerhalb der Bildungsverwaltung zuständig. Berichte über den schwulen Lehrer Inácio-Stech sowie weitere Tagesspiegel-Recherchen haben allerdings offenbart, dass das Beschwerde- und Antimobbingsystem besonders im Schulwesen nicht sonderlich gut funktioniert. Beschwerden werden zwar aufgenommen, doch Veränderungen, Sanktionen oder Ähnliches finden danach kaum statt.
Das kann mitunter an schwarzen Schafen liegen, die ihre Arbeit nicht ganz ernst nehmen. Tatsächlich sollen dort aber auch sehr gute, engagierte Personen tätig sein. Der ehemalige Antidiskriminierungsbeauftragte der Bildungsverwaltung, Dervis Hizarci, hat eine Erklärung dafür, wieso er sich oft als „zahnloser Tiger“ gefühlt hat. Diese Stellen und Personen hätten viel zu wenig Befugnisse, sagte er. Sie hätten weder Anrecht auf Akteneinsicht, noch könnten sie Personen abmahnen oder konkrete Veränderungen in Schulen anordnen.
Das einzige, was ihnen oft bleibe, seien Gespräche, E-Mails und mahnende Worte. Die träfen oft auch auf Personen, die nicht einsehen wollten, dass sie jemanden diskriminiert oder Fehler begangen hätten.
Dass diese Art des Beschwerdemanagements oft nicht funktioniert, haben schon etliche Personen dem Tagesspiegel geschildert. Doch was ist die Antwort der Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU)? Statt bestehende Strukturen zu reformieren und nicht gut aufgearbeitete Diskriminierungsfälle erneut überprüfen zu lassen, will sie eine weitere Stelle oder Abteilung schaffen, die für Beschwerden zuständig ist. Diese Stelle – wie viele Mitarbeiter sie haben wird, ist offen – wird wie alle anderen existierenden Stellen vom Steuerzahler finanziert werden.
Das Neue an der neuen Stelle soll sein, so sagte die Senatorin es bislang im Abgeordnetenhaus, dass diese eine „zentrale Beschwerdestelle“ sein solle, die pädagogisches und nicht-pädagogisches Personal bei der Durchsetzung seiner Rechte nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unterstützen soll. Wie genau? Das wurde bisher nicht kommuniziert – die Stelle soll dennoch in Kürze ihre Arbeit aufnehmen, einen Leiter gibt es schon.
Dabei wäre es zunächst viel wichtiger, wenn Günther-Wünsch endlich in ihrem Haus aufräumen und aufklären würde, wer in ihrer Behörde eigentlich dafür verantwortlich ist, dass Elternbeschwerden oft einfach nur versacken und Lehrern, die gemobbt werden, kaum geholfen wird. Sie könnte endlich den bekanntesten Diskriminierungsfall Inácio-Stech selbst in die Hand nehmen und exemplarisch aufzeigen, was eine ordentliche Aufarbeitung bedeutet. Solange das nicht passiert, und entsprechendes Fehlverhalten nicht sanktioniert wird, ist eine weitere Beschwerdestelle reine Kosmetik und Steuergeldverschwendung.
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