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Tödliche Schüsse von Schönfließ: Mordanklage gegen Berliner Polizist möglich

Dem Polizisten droht jetzt eine Haftstrafe. Auch eine Mordanklage ist nicht ausgeschlossen.

War es Notwehr, ein Totschlag – oder gar Mord? Sollte sich der Polizist vor Gericht verantworten müssen, entscheidet die Frage über sein künftiges Leben: Bei Notwehr hätte er keine Strafe zu fürchten, ein Totschläger wird mit mindestens fünf Jahren Haft bestraft, bei Mord droht lebenslang. Nach den jüngsten Darstellungen ist Notwehr unwahrscheinlich – es gab keinen Angriff. Dass sich der Gesuchte möglicherweise gegen seine Festnahme wehren wollte, rechtfertigt den Schusswaffengebrauch nicht. Ein Angriff muss „gegenwärtig“ sein. Deshalb wird nun weiter wegen Totschlags ermittelt.

Ein Totschläger ist, „wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein“, heißt es im Gesetz. Entscheidend ist, ob der Täter vorsätzlich handelt. Anhaltspunkte, dass der Schütze sein Opfer töten wollte, gibt es. Dafür spricht zum Beispiel, dass er acht Schüsse abgegeben hat. Offenbar verzichtete er auch auf Warnschüsse und richtete die Waffe gleich auf den 26-Jährigen. Selbst wenn der Todesschütze nicht absichtlich gehandelt hätte, reicht es für einen Vorsatz, dass er den Tod seines Opfers „billigend in Kauf nimmt“, es also innerlich akzeptiert, dass bei der Attacke jemand stirbt. Juristen sprechen von einem „Eventualvorsatz“. Hier könnte der Beschuldigte argumentieren, er sei zornig gewesen, weil man dem Gesuchten so oft vergeblich nachgestellt habe, und auf einen minderschweren Fall plädieren. Dann gäbe es womöglich nur eine Bewährungsstrafe. Würde ein Gericht dies akzeptieren, wäre es allerdings ein unglückliches Signal: Ein Polizist muss einen kühlen Kopf bewahren. Lässt man das Argument durchgehen, würde man Aggression und Brutalität im Dienst juristische Weihe verleihen.

Je nachdem, wie die Ermittlungen verlaufen, ist auch eine Mordanklage nicht ausgeschlossen. Das ist der Fall, wenn jemand „heimtückisch“ tötet, also die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ausnutzt. Es käme aber nur in Betracht, wenn der Polizist vollkommen überraschend geschossen hätte. Ein Mörder ist auch, wer „sonst aus niedrigen Beweggründen“ tötet, etwa aus Rachsucht, Wut oder Enttäuschung. Viel hängt davon ab, was die weiteren Ermittlungen zu den Motiven ergeben. Offen ist auch, ob die beiden anderen Polizisten ihrer Wahrheits- und Zeugenpflicht umfassend nachgekommen sind. Falls nicht, könnte es zu dienstrechtlichen Konsequenzen oder vielleicht sogar zu einem Verfahren wegen Strafvereitelung kommen. neu

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