Berlin: Mordversuch unter Kollegen
Psychologe stach laut Anklage aus Verärgerung zu – vor Gericht diagnostizierte er bei sich selbst „Kontrollverlust“
Der hoch qualifizierte Mann aus der Poststelle war einer, mit dem niemand mehr etwas zu tun haben wollte. Der DiplomPsychologe Reinhard H. war als Mitarbeiter eines internationalen Bildarchivs in Zehlendorf anfangs bei den Kollegen beliebt, doch in den letzten Monaten hatte er sich verändert, war unfreundlich geworden. Dass er ein schwerwiegendes Problem hat, wurde dann am 16. Juni klar: Er stürmte in das Zimmer eines Kollegen und stach ihn nieder.
„Ich bin fassungslos, die Tat ist mir unerklärlich", sagte der 45-jährige H. vor dem Berliner Landgericht. Dort muss er sich seit gestern wegen versuchten Mordes verantworten. Als Auslöser des Angriffs diagnostizierte der Angeklagte „Kontrollverluste“. Er wollte die „äußeren Abläufe“ der Tat aber nicht bestreiten, sagte der auffallend blasse Mann.
Die Anklage geht davon aus, dass H. aus „Verärgerung“ den Kollegen Volkmar K. angegriffen hat. Der 28-jährige Mitarbeiter der EDV-Abteilung sagte im Prozess, es habe weder Streit noch eine Vorwarnung gegeben. „Er hatte eine Liste in der Hand, stach dann plötzlich auf mich ein.“ K. wollte seinem Kollegen entkommen. Der stürzte sich im Flur wieder auf sein Opfer. Weitere Mitarbeiter schritten ein. Volkmar K. wurde mit lebensgefährlichen Stichwunden in Hals und Brust ins Krankenhaus gebracht.
Warum H. ausgerechnet auf K. wütend war, konnte sich keiner der Zeugen erklären. Er soll K. zwar verdächtigt haben, private Post auf Firmenkosten verschickt zu haben. Doch deshalb ein Angriff mit einem Messer? Auch Neid scheidet wohl aus. Volkmar K. hatte bei H. in der Poststelle angefangen, war später befördert worden. Der Psychologe soll zuvor für sich eine berufliche Veränderung abgelehnt haben, weil er sich im Privaten der wissenschaftlichen Arbeit widmen wollte. Laut Gutachten litt der Psychologe zum Tatzeitpunkt wahrscheinlich unter einer schizophrenen Störung. K. G.
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