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Prozess: Mutmaßlicher Mitternachtsnotar bestreitet alle Vorwürfe

„Dafür bin ich viel zu sensibel“, sagte der Angeklagte: Ein mutmaßlicher Mitternachtsnotar hat im Prozess um Geschäfte mit Schrottimmobilien alle Vorwürfe bestritten.

234 Tage Haft lagen hinter Marcel E., als er vor Gericht mit einer ausführlichen Aussage begann. Er soll als „Mitternachtsnotar“ mit einer Bande von Betrügern, die mit Schrottimmobilien ahnungslose Kunden über den Tisch gezogen und oft in den Ruin getrieben haben, gemeinsame Sache gemacht haben. Das bestritt E. vehement. „Ich bin unschuldig“, sagte der 52-Jährige am Freitag. Nichts habe er von Betrügereien gewusst oder geahnt. „Ich war ein unwissendes Werkzeug.“

Marcel E. war jahrelang ein sogenannter Mitternachtsnotar. Auch nach offizieller Bürozeit beurkundete er abends oder am Wochenende in seiner Schöneberger Kanzlei noch Kaufangebote für Immobilien. Mitte 2010 allerdings wechselte er die Seiten hin zum „Verbraucherschützer“ und vertrat Mandanten, die von obskuren Vertriebsfirmen mit Schrottimmobilien getäuscht worden waren. In den umstrittenen Verträgen erkannten Verbraucher oft nicht, dass mit dem Angebot bereits ein Kauf verbunden war.

Doch im Juli 2012 standen Polizisten vor seiner Haustür und nahmen ihn mit. Die Staatsanwaltschaft wirft E., der seit 1996 als Notar tätig war, einen banden- und gewerbsmäßigen Betrug unter Missbrauch seiner Stellung als Amtsträger in 15 Fällen sowie Beihilfe in einem Fall vor. Es habe mit den Betrügern um Makler Kai-Uwe K. eine „Bandenabrede“ gegeben. E. war aus Sicht der Ermittler Teil des Systems, das auf Täuschung und Überrumpelung unerfahrener Privatleute setzte, um diesen wertlose und überteuerte Objekte anzudrehen. Im Kaufpreis seien hohe Provisionen versteckt gewesen. E. sei als „Mitternachtsnotar“ für die Beurkundung solcher Geschäfte „jederzeit“ erreichbar gewesen und habe gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen.

Er ein skrupelloser Betrüger? „Das war ich nie, das passt nicht zu mir, dazu bin ich viel zu sensibel“, sagte der Angeklagte. „Äußerst wahrheitsliebend“ sei er und als solcher zu Betrügereien „psychisch nicht in der Lage“. Wenn er solche Kaufangebote beurkundete, habe er darauf geachtet, dass Verbraucher „aufmerksam zuhörten“. Tatsächlich habe er auch auf Veranlassung von Makler K. gearbeitet. Es habe aber keine Vereinbarung im Hintergrund gegeben. „Ich ging von seriösen Verkäufen aus.“ Wie er seien auch andere seiner Kollegen als „Mitternachtsnotare“ tätig geworden.

Die Bande hatte den Kunden vorgegaukelt, es gehe um ein „Steuersparmodell“ mit geringen monatlichen Belastungen. Schnell und nuschelnd soll Notar E. die Passagen vorgetragen haben. Die Opfer seien im Glauben gelassen worden, dass sie sich mit einer Unterschrift noch nicht binden würden. E. habe dabei auch die Pflicht missachtet, Verträge 14 Tage vor Unterzeichnung allen Beteiligten vorzulegen, hieß es in der Anklage.

Marcel E. hörte es kopfschüttelnd. Erst Mitte 2010 hätten ihm Mandanten Dinge berichtet, „bei denen mir angst und bange wurde“. Da habe er begriffen, „was ich unwissend als Notar falsch gemacht habe.“ Er sprach fast dozierend über Moral, die ein Jurist stets im Auge behalten müsse. Marcel E. entschuldigte sich moralisch bei den Geschädigten. „Ich habe mich zwar nicht strafbar gemacht, aber ich war unwissend dabei, das ist für mich ein verdammt schlimmes Gefühl.“

Für Makler K. gab es im Juni 2012 nach einem Geständnis fünf Jahre Haft. Er und seine Komplizen hatten durch Provisionen hohe Beute gemacht. Die Bande soll für einen Millionenschaden verantwortlich sein. Der damalige Notar E. bekam pro Vertrag um die 500 Euro. Der Prozess geht Freitag weiter.

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