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© Silke Weber

Kita: Nanny aus dem Reich der Mitte

Wer etwas auf sich hält, holt sein Au-pair heutzutage aus Peking. Die erste deutsch-chinesische Kita in Berlin aber will keine elitäre Einrichtung sein.

Der blonde Justus (6) tanzt nach chinesischen Kinderliedern, die Schritte gibt Erzieherin Yang auf Mandarin vor. Danach spielt die brünette Thuylin (6) die Hexe in Hänsel und Gretel – natürlich auf deutsch. Es ist Sommerfest in der Deutsch-Chinesischen Kita in Prenzlauer Berg. Die bilinguale Betreuung gehört in den Alltag der multikulturellen Kita. In Deutschland gibt es derzeit etwa 550 bilinguale Kitas, circa ein Prozent der rund 50 000 insgesamt. Der deutsch-chinesische Kindergarten ist der erste in Berlin.

Die Kita gründete sich vor rund einem Jahr aus einer Elterninitiative und dem Verein China Büro in der Dunckerstraße. Die Vorstände Yuhang Yuan (29) und die Eheleute Jianqiu Wang und Matthias Kannegiesser suchten einen Platz für ihren Nachwuchs und waren überrascht, dass es noch keine deutsch-chinesische Kita gab. Schließlich hat chinesische Kultur in Berlin eine lange Geschichte, die ersten Chinesen kamen bereits Anfang des 19. Jahrhunderts an die Spree. Heute leben rund 6000 Chinesen in Berlin.

Künftig würde Yuan in der Berliner Kita gerne Kurse für Schulkinder und auch für Eltern anbieten. Die chinesische Sprache wird wegen der wirtschaftlichen Kompetenz des Reiches der Mitte international immer attraktiver. Der amerikanische Trend, sich chinesische Nannys zuzulegen, schwappt langsam nach Deutschland. Auch in der Potsdamer Nobelkita „Villa Ritz“ kann der Nachwuchs neben anderen Sprachen Chinesisch lernen. Daneben gehören Ballettsaal, Musikraum oder Schwimmbad zum Kita-Programm, für das Eltern bis zu 1000 Euro monatlich zahlen können.

Aber Yuan will nichts hören von kleinen Managern, die Mandarin sprechen oder wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit. Sie will keine Kita für Diplomatenkinder: „Wir sind kein Elite-Kindergarten, wir sind eine ganz normale Kita“, sagt die in Nordchina aufgewachsene Frau. Eltern zahlen in der öffentlich geförderten Kita einen monatlichen Beitrag von 50 Euro.

Tom (1,5) ist der Sohn des bi-nationalen Ehepaares und das jüngste Mitglied der kleinen Kita mit 16 Plätzen. Für ihn unterscheidet sich das Chinesisch vom Deutschen wahrscheinlich wie eine hohe von einer tiefen Stimme. Justus (6) kann ohne Probleme zwischen den beiden Sprachen wechseln. Mit seinen deutschen Eltern wohnte er zwei Jahre in China. Auch Thuylin ist in beiden Sprachen sicher, obwohl sie noch nicht lange in Deutschland wohnt. Beide kommen jetzt in die Grundschule, dort gibt es dann vorerst kein Chinesisch mehr. „Eigentlich sind wir – die einsprachig aufgewachsenen – die Unnormalen“, sagt Annette Lommel vom Verein für Frühe Mehrsprachigkeit an Kindertagesstätten und Schulen (FMKS). Schließlich wachsen mehr als zwei Drittel aller Menschen zweisprachig auf. „Eine frühe mehrsprachige Erziehung fördert die gesamte kognitive Entwicklung der Kinder. Sie sind sprachlich und geistig flexibler“, weiß Lommel. Bedenklich findet sie die mangelhafte Förderung von Mehrsprachigkeit an den Grundschulen.

Für die Deutsch-Chinesische Kita gibt es eine Warteliste, nicht jeder wird aufgenommen. Wer bei chinesischer Kultur nur an das Restaurant um die Ecke denkt, rangiert nicht gerade auf den vorderen Plätzen. Sophies (3) Mama beispielsweise promoviert mit einer Arbeit über deutsche und chinesische Pädagogik und Yun Fengs (4) Vater ist Gastprofessor für Mathematik an der Humboldt Universität. Aber neben Akademikern gibt es auch Familien mit Migrationshintergrund oder Sozialhilfestatus. „Ein hoher Anteil an chinesischen Akademikerfamilien, chinaerfahrene deutsche Familien und die bilinguale Betreuung sind die wichtigsten Voraussetzungen für so ein Kita-Konzept“, sagt Luoding Lammel-Rath, Geschäftsführerin des deutsch-chinesischen Freundschaftvereins (DCFEV). Derzeit sind Kitas in München, Leipzig oder Bremen geplant.

Lammel-Rath glaubt trotzdem nicht, dass sich deutsch-chinesische Kitas durchsetzen werden. „China ist noch kein öffentlicher pädagogischer Belang, sondern abhängig von Privatinitiativen aufgeschlossener Eltern.“ Zunehmen werde allerdings die Zahl gut situierter Familien, die eine chinesische Nanny oder ein Au-pair einstellen. Und statt des gewöhnlichen USA-Aufenthalts in der zwölften Klasse werden sich künftig zunehmend Schüler für China entscheiden. Silke Weber

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