Berlin: Neben der Spur
Wird es brisant auf den Straßen, müssen die Verkehrslenker ihre Zentrale verlassen oder die Ohren zuhalten – verbessert wird das erst nach der WM
Sie arbeiten alle in derselben Schicht, sitzen am selben Tisch in einem riesigen Saal im Tempelhofer Flughafengebäude, blicken auf dieselbe meterhohe Videowand mit dem Berliner Stadtplan und elektronisch eingezeichneten Staus. Aber immer dann, wenn über den Polizeifunk besonders brisante Informationen einlaufen – Fahndungsmeldungen, die Routen von Staatsgästen, Anfragen von Rettungskräften über Staus und Baustellen –, müssen fünf der neun Mitarbeiter die Ohren verschließen oder den Raum verlassen. Wer nicht Polizist ist, darf nicht mitfunken – auch, wenn er (oder sie) ansonsten am selben Arbeitstisch sitzt wie die uniformierten Polizeibeamten in der senatseigenen Verkehrslenkung Berlin (VLB).
Diese Art von Aufteilung zwischen Verkehrstechnik und hoheitlichen Aufgaben soll laut Senatsbeschluss geändert werden, allerdings erst nach der Fußball-WM: Die Polizisten werden mitsamt ihrem Funkgerät in ein Nebenzimmer ziehen. Die Senatsverwaltung für Verkehr hat die Umzugspläne bestätigt. Bei der Opposition hagelt es Kritik: „Ein neues Kapitel aus Schilda“, so der CDU-Sicherheitspolitiker Peter Trapp. „Abstrus“ nennt die grüne Verkehrsexpertin Claudia Hämmerling den Vorgang. Beide Oppositionspolitiker kündigten an, die VLB im Abgeordnetenhaus zur Sprache zu bringen.
Die Verkehrslenkung Berlin (VLB) wurde im September 2004 als „Sonderbehörde“ der Senatsverwaltung für Verkehr gegründet. Verkehrsüberwachung, Steuerung, Planung und polizeilicher Warndienst wurden unter einem Dach zusammengefasst. Der Senat versprach sich eine bessere Koordinierung und weniger Staus. Allerdings reißen die Klagen seit der VLB-Gründung nicht ab.
Ausgerechnet die Koordination klappt häufig nicht. Jüngstes Beispiel: Nach dem Bundesligaspiel Hertha-BSC gegen Bayern München vergangene Woche drohte vorübergehend ein Verkehrskollaps, weil die VLB wegen Wartungsarbeiten die Schließung des Stadtautobahn-Tunnels Tegel Ortskern geplant hatte. Beginn: 22 Uhr, ausgerechnet zur Abfahrtszeit tausender Fans aus dem Olympiastadion. Erst in letzter Minute schritten Polizeibeamte ein und verschoben die Wartungsarbeiten auf die Nacht. Schon vor dem Anpfiff hatte es Verkehrsprobleme gegeben: Der Bayern-Bus war im Stau stecken geblieben, der Anpfiff war deshalb um zehn Minuten verschoben worden.
Der CDU-Abgeordnete Trapp will das Thema kommende Woche im Unterausschuss Datenschutz auf die Tagesordnung setzen. „Der Datenschutz muss gewährleistet sein“, lautet seine Forderung. Das sei aber nicht der Fall, wenn Informationen aus dem Polizeifunk von polizeifremden Mitarbeitern mitgehört werden könnten. „Wenn bei einer Alkoholkontrolle persönliche Daten übermittelt werden, geht das Außenstehende nichts an“, sagt er.
Der Umgang mit dem Polizeifunk ist nach seiner Einschätzung ohnehin nur ein weiterer Punkt einer Negativchronik der VLB. Als Beispiel für Fehlplanung nennt Trapp die Verkehrsführung auf der Heerstraße, wo es bis zur Gründung der VLB möglich gewesen sei, ohne Ampelstopp von Spandau bis Charlottenburg durchzufahren, während heute Staus an Scholzplatz und Theodor-Heuss-Platz an der Tagesordnung seien.
Mit zwei parlamentarischen Anfragen hat sich auch die Grüne Hämmerling zu Wort gemeldet. „Ich möchte einfach wissen, wie die verkehrstechnischen und hoheitlichen Aufgaben aufgeteilt werden“. Beim Umgang mit dem Polizeifunk leuchte ihr weder die jetzige Konstruktion (Nicht-Polizisten hören weg) ein, noch die künftige (Polizisten sitzen nebenan). Sie schlägt eher eine integrierte Verkehrszentrale vor, in der neben Verkehrsverwaltung und Polizei auch BVG und die Tunnelleitzentrale zusammenarbeiten, die zurzeit in Tegel sitzt.
Die Behördenleitung hält die Kritik für unbegründet. Die VLB konzentriere die fachlichen Kompetenzen für den Verkehr, dazu gehöre auch der Sachverstand von Ingenieuren, sagte die Sprecherin der Verkehrsverwaltung, Manuela Damianakis.Die räumliche Ausgliederung der Polizei ändere daran nichts, sondern schaffe nur eine klare Trennung zwischen hoheitlichen und verkehrstechnischen Aufgaben. Dass dieser Schritt erst nach der WM vollzogen werde, begründete sie mit den Worten: „Es ist klar, dass eine solche organisatorische Veränderung Risiken birgt.“ Die wolle der Senat vor dem Großereignis vermeiden.
Tina Manske