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Notarzteinsatz - Symbolbild.

© picture alliance / dpa

Notfall in Berliner Flüchtlingsunterkunft: Sicherheitskräfte sollen Hilfe für schwangere Frau verweigert haben

Hat eine geflüchtete Frau ihr Baby verloren, weil Securityleute keinen Krankenwagen rufen wollten? Der Fall wurde nun durch den Flüchtlingsrat publik.

Von Corinna Cerruti

Der Berliner Flüchtlingsrat macht den Mitarbeitern einer Berliner Sammelunterkunft schwere Vorwürfe. Wie der Verein am Montag mitteilte, soll sich der Wachschutz geweigert haben, einen Rettungswagen für eine schwangere Frau zu rufen. Später hat sie im Krankenhaus ein totes Kind entbunden. Der Vorfall ereignete sich demnach bereits in der Nacht zum 23. Juni. Zunächst hatte die "taz" über den Fall berichtet, demnach handele es sich um die AWO-Erstaufnahmestelle in der Lichtenberger Rhinstraße.

Die Frau soll gemeinsam mit ihrem Mann in einer Unterkunft für Geflüchtete leben. Den Angaben nach war sie im neunten Monat schwanger, als sie in besagter Nacht plötzlich starke Schmerzen und Blutungen bekam. Ihr Mann habe daraufhin gegen 4 Uhr morgens den diensthabenden Security-Mitarbeiter der Unterkunft gebeten, den Rettungsdienst zu rufen.

Doch dieser habe sich geweigert: Laut Flüchtlingsrat habe er entgegnet, Sonntagnacht rufe man keinen Rettungsdienst. Auch ein Taxi habe er nicht rufen wollen, da das Krankenhaus nur wenige hundert Meter entfernt sei.

Da das Paar erst seit zwei Monaten in Berlin war und selbst kein Deutsch spricht, waren sie nicht in der Lage, einen Krankenwagen zu rufen. Der Wachmann soll ihnen nur die Adresse des gut drei Kilometern entfernten nächsten Krankenhauses gegeben haben, das sie schließlich zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen konnten.

Im Krankenhaus entband die junge Frau dann einen toten Jungen, heißt es weiter in der Mitteilung des Flüchtlingsrates. Todesursache soll eine akute Plazentainsuffizienz gewesen sein, die für ein Ungeborenes eine Lebensgefahr bedeute. Es sei davon auszugehen, dass das Kind am frühen Morgen noch gelebt habe. Es sei nicht auszuschließen, dass das Baby möglicherweise hätte gerettet werden können, wenn das Paar früher im Krankenhaus eingetroffen wäre. (Hinweis: Es ist unklar, ob das Kind hätte gerettet werden können, wenn die Mutter früher notärztlich betreut worden wäre. Das war in einer früheren Version des Textes weniger ersichtlich. Wir haben das präzisiert. Die Redaktion.)

Dies habe die behandelnde Ärztin anhand des Obduktionsberichts den Eltern so erklärt. Ein gerichtsmedizinisches Gutachten stehe allerdings noch aus. Das Ehepaar sei aktuell von der Situation "schwer traumatisiert und emotional komplett überfordert", heißt es weiter in der Mitteilung des Flüchtlingsrats.

"Klarer Fall von unterlassener Hilfeleistung"

Der Anwalt des Ehepaars, der auf Medizinrecht spezialisierte Jurist Tobias Kiwitt, sieht hier einen klaren Fall von unterlassener Hilfeleistung. „Es ist absolut nicht nachvollziehbar, warum einer hochschwangeren Frau, die vor Schmerzen kaum stehen kann, der Rettungsdienst verweigert wird“, sagte er gegenüber der "taz". Eine entsprechende Strafanzeige sei gestellt. Wenn das Kind wirklich mit früherem Eintreffen zu retten gewesen wäre, könnte es sich sogar um fahrlässige Tötung handeln, erklärte Kiwitt.

„Es kann nicht sein, dass Geflüchtete, die sich in einer akuten gesundheitlichen Notlage und möglicherweise sogar in Lebensgefahr befinden, hilflos der Entscheidung von Security und/oder anderen nicht medizinisch qualifizierten Mitarbeitenden ausgeliefert sind, ob ein Rettungsdienst zu rufen ist. Diese haben weder die Aufgabe noch die medizinische Kompetenz, solche Entscheidungen zu treffen“, sagt Georg Classen vom Flüchtlingsrat Berlin.

Der Verein fordert nun Sozialsenatorin Breitenbach sowie das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) zur lückenlosen Aufklärung auf: "Das Land Berlin muss jede erdenkliche humanitäre und soziale Unterstützung für das schwer traumatisierte asylsuchende Ehepaar H. zu gewähren." Dazu gehöre auch die genauere Prüfung des Wachpersonals und deren vertragliche Vereinbarungen. Der Betreiber des Heims hat laut taz bisher keine Stellungnahme abgegeben.

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