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André Herzberg in Pankow. 

© Robert Ide

Tagesspiegel Plus

„Pankow“-Sänger André Herzberg: „Musik als Beruf trägt Abgründe in sich“

In der DDR machte er mit kritischen Liedern Furore, danach stürzte er ab. Nun geht seine Band „Pankow“ auf Abschiedstour. Ein Gespräch über Widerstand und Anpassung, seine jüdischen Wurzeln und einen Suizidversuch.

Stand:

Herr Herzberg, einer Ihrer bekanntesten Hits heißt „Aufruhr in den Augen“. Geht der Aufruhr einem irgendwann verloren?
Als Musiker bin ich wie ein Bauarbeiter, der neue Häuser baut. Ich muss ständig neue Lieder schreiben. Auf der Bühne kann ich sein, wie ich sonst gern wäre: ein selbstbewusster Held. Im sonstigen Leben zweifle ich oft an mir, finde nicht den richtigen Weg. Erst die Bühne lässt mich strahlen, die Arme ausbreiten und schreien.

In der DDR waren Sie ein Star, danach sind Sie ins Nichts gefallen. Nun geht’s auf Abschiedstour mit Ihrer Band „Pankow“. Ist das auch ein Abschied von der DDR?
Die DDR wird man nie ganz los. Das Polizeigebäude am S-Bahnhof Pankow ist dasselbe wie damals, nur der ABV mit seinem Hund geht nicht mehr rum. Vergangenheit ist schön und schmerzlich. Aber es tut gut, sich umzudrehen und weiterzugehen. Mit „Pankow“ verabschieden wir uns auf unsere Weise. Ich will nicht unter der Erde liegen, und dann halten falsche Freunde eine Grabrede, bei der man aus der Erde springen will, um ihnen eine zu scheuern. Wenn ich etwas von meinem stalinistischen Vater gelernt habe, dann das: Er schrieb sich seine Grabrede selber.

Die Band „Pankow“ geht ab Freitag auf Abschiedstour.

© imago images/Future Image/Matthias Wehnert via www.imago-images.de

Sie kommen aus gutsozialistischem Elternhaus. Ihre Mutter war Staatsanwältin, Ihr Vater Chefredakteur beim DDR-Rundfunk. Wie wird man da zum aufmüpfigen Sänger?
Meine Mutter wollte immer, dass ich meine Meinung sage. Die Mutter meiner Mutter war als Jüdin ermordet worden. Nach dem Exil wollten meine Eltern die DDR als neuen Staat aufbauen. Als kleiner Junge sah ich das Bild in der Kinderzeitschrift: Auf dem Laufband der Geschichte fahren wir bis zum Kommunismus. Aber spätestens als Lehrling kollidierte ich mit der Wirklichkeit. Mein Vater wollte mich auf seine Weise erziehen. Später, in seiner Grabrede, hat er mich um Entschuldigung gebeten.

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