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Zum Tod der Frau von orazio giamblanco Fotos von Frank Jansenseine verstorbene Lebenspartnerin Angelica Stavropolou (links)

© Frank Jansen

„Ganz viel Hochachtung und Respekt“: Partnerin von Orazio Giamblanco mit 73 Jahren verstorben

Im September 1996 ist der Italiener Orazio Giamblanco Opfer rassistischer Gewalt geworden. Fast 28 Jahre pflege ihn seine Partnerin bis zu dessen Tod 2024. Nun ist auch sie verstorben.

Von Frank Jansen

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Sie war klein, zierlich und hatte doch eine übermenschliche Kraft. Fast 28 Jahre hat Angelica Stavropolou ihren schwer behinderten Lebenspartner Orazio Giamblanco gepflegt. Der Italiener war ein Opfer rassistischer Gewalt, im September 1996 schlug ihn ein Skinhead mit einer Baseballkeule beinahe tot. Der Angriff geschah in der Kleinstadt Trebbin, südlich von Berlin, und zählt zu den brutalsten Taten der sogenannten Baseballschlägerjahre.

Giamblanco überlebte nur knapp. Er litt bis zu seinem Tod im Mai 2024 an spastischer Lähmung, Sprachstörungen, Depressionen und weiteren Beschwerden. Seine griechische Lebenspartnerin und ihre Tochter Efthimia Berdes pflegten Giamblanco in Bielefeld bis zur völligen Erschöpfung – und darüber hinaus. Beide Frauen erkrankten schon vor Jahren an Depressionen. Und gaben doch die Hilfe für ihren Orazio nie auf. Ohne den Einsatz wäre Giamblanco keine 83 geworden, sagte ein Physiotherapeut, der zur Beerdigung gekommen war.

Tagesspiegel berichtete seit 1997

Der Tagesspiegel hat seit 1997 Jahr für Jahr über das Schicksal Giamblancos und der Frauen berichtet. Als exemplarische Langzeitstudie über die Qualen eines Opfers rechter Gewalt in Deutschland. Und das Leiden der Angehörigen, die der Baseballschläger indirekt auch getroffen hat. Jetzt ist nach Giamblancos Tod wieder ein trauriger Endpunkt erreicht.

Am 21. September ist Angelica Stavropolou in einem Bielefelder Krankenhaus gestorben. Sie war 73 Jahre alt. Im August hätten die Ärzte Lungenkrebs und Metastasen festgestellt, sagt Stavropolous Sohn Georgios. Die Chemotherapie kam zu spät. „Die Kraft hat sie verlassen“, sagt er. Seine Mutter schien allerdings ihren Lebensmut schon nach dem Tod ihres geliebten Orazio zu verlieren. „Meine Zukunft ist vorbei“, sagte sie im November 2024 dem Tagesspiegel, „ich bin Schrott“.

Zum Tod der Frau von orazio giamblanco Fotos von Frank Jansenseine verstorbene Lebenspartnerin Angelica Stavropolou (links)

© Frank Jansen

Die Pflege für Orazio war seit 1996 ihr Lebensinhalt. Stavropolou hob Giamblanco aus dem Bett, sie half ihm im Bad, sie setzte ihn vorsichtig in den Rollstuhl, sie begleitete ihn nach draußen, sie machte ihm Essen, sie besorgte Medikamente, sie schlug sich mit Behörden und Krankenkassen herum.

Stavropolou und ihre Tochter gaben nie auf

Obwohl klar war, dass Giamblancos Zustand sich nicht bessern würde, trotz der regelmäßigen Physiotherapie, gaben Stavropolou und ihre Tochter nicht auf. Giamblancos Tod riss ein tiefes Loch in das Leben der Frauen. Stavropolou trauerte schwer. Bis zu dreimal am Tag ging sie zu seinem Grab. Dort wurde sie vor einer Woche auch beigesetzt. Giamblanco und Stavropolou sind jetzt in einem Doppelgrab wieder zusammen.

Die beiden hatten sich in Bielefeld kennengelernt, etwa fünf Jahre vor dem beinahe tödlichen Angriff des Skinheads in Trebbin. Giamblanco hatte dort wie weitere Landsleute einen Hilfsjob auf einer Großbaustelle angenommen. Die rechte Szene wollte die Italiener verjagen. Der Skinhead Jan W. traf auf Giamblanco und schlug ihm die Keule an den Kopf. Die Tat rief über Brandenburg hinaus Entsetzen hervor. Für Giamblanco und Stavropolou war es der schlimmste Tiefpunkt ihres Lebens. Das schon vorher schwierig war.

Beide hatten mit ihren früheren Ehepartnern Restaurants geführt und mussten wegen diverser Probleme aufgeben. Nach dem Überfall in Trebbin gab es für Giamblanco und Stavropolou allerdings keine Hoffnung mehr auf ein besseres Leben. Doch zurück in ihre alte Heimat, bei ihm Sizilien, bei ihr Griechenland, wollten sie nicht. Sie blieben mit Stavropolous Tochter Efthimia, genannt Efi, in Bielefeld.

Ein Lichtblick waren die vielen Spenden, die Leserinnen und Leser des Tagesspiegels nach jeder jährlichen Reportage überwiesen. Und es tat gut, dass Trebbins Bürgermeister Ronny Haase 2023 und 2024 nach Bielefeld kam – und vor allem zuhörte. Haase war auch bei Giamblancos Beerdigung. Der Tod von Angelica Stavropolou geht ihm nahe. „Ich habe Angelica als sehr fürsorgende und liebende Frau kennengelernt“, sagt er. Für das, was sie geleistet hat, „habe ich ganz viel Hochachtung und Respekt“.

Eine Katastrophe ist Stavropolous Tod für ihre Kinder, für Efi mehr noch als für den Bruder. Sie ist 51 Jahre alt und ledig. Ihre Träume von der Gründung einer eigenen Familie hat sie für die jahrelange Unterstützung der Mutter bei Giamblancos Pflege geopfert. Mit dem Tod der Mutter hätten Efis psychische Probleme zugenommen, sagt Bruder Georgios. Sie gehe jetzt häufiger zur psychiatrischen Behandlung.

Trebbins Bürgermeister betont, die Stadt setze ihre jahrelange Spendenaktion für Orazio und die beiden Frauen auch für Efi alleine fort. Eingezahlt werden kann bei der Mittelbrandenburgischen Sparkasse. Die IBAN lautet DE24160 50000 36470 21740. Die BIC: WELADED1PMB. Das alte Stichwort bleibt: „Spende für Orazio Giamblanco“. Spendenquittungen gibt es über das Trebbiner Rathaus. Die Telefonnummer lautet 033731 8420.

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