
© Paul Zinken/dpa
Patientin lag monatelang im Wachkoma: Anästhesist steht wegen tödlicher Fehler vor Berliner Landgericht
Ein 78-Jähriger soll bei einer Vollnarkose vor rund fünf Jahren Fehler gemacht haben. Eine 59-jährige Frau starb. Vor Gericht schwieg der Mann zunächst.
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Eine schmerzlindernde Spritze sollte Güllü D. in einer Praxis eines Kreuzberger Orthopäden bekommen. Eine Injektion in den Lendenwirbelbereich unter Vollnarkose. Die 59-Jährige erlitt einen Herzstillstand, fiel in ein Wachkoma. Sie starb 92 Tage später. Rund fünf Jahre nach ihrem Tod steht ein Anästhesist vor dem Berliner Landgericht.
Gravierende Versäumnisse bei Vorbereitung und Überwachung der Narkose werden ihm vorgeworfen. „Die Patientin“, begann Todor D. am Dienstag. Seine Verteidiger stoppten ihn: „Vorerst keine Angaben.“
Die Anklage gegen den inzwischen 78-Jährigen lautet auf Körperverletzung mit Todesfolge. Die Richter allerdings verschärften: Auch eine Verurteilung wegen versuchten Verdeckungsmordes durch Unterlassen komme in Betracht. Möglicherweise habe der Anästhesist gegenüber einer Notärztin und Klinikärzten den Atem- und Herzstillstand und eine durchgeführte Reanimation verschwiegen, um Fehler zu vertuschen.
Patientin mit Rückenleiden
Die Patientin mit Rückenbeschwerden wurde am 27. Januar 2020 behandelt. Der Orthopäde zog den Narkosearzt D. hinzu. Güllü D. sei in Begleitung ihrer Tochter gewesen, weil die Türkin nicht so gut Deutsch gesprochen habe.
Gegen 15.30 Uhr leitete der Arzt die Narkose ein. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus: „Zuvor hatte er die Patientin nicht über Risiken und mögliche Alternativen aufgeklärt.“ Zudem sei der Einwilligungsbogen von der Tochter unterschrieben worden – als die Mutter bereits auf dem Behandlungstisch gelegen habe.
Bis zu acht Minuten ohne Sauerstoff
Nach der Injektion habe der Orthopäde die sedierte Frau in der Obhut des Anästhesisten gelassen. Gegen 15.48 Uhr dann ein Atem- und Herzstillstand. „Da es dem Angeklagten mangels Überwachung der Vitalfunktionen nicht sofort auffiel, blieb die Patientin sieben bis acht Minuten ohne Sauerstoffversorgung“, so die Anklage.
Erst dann sei Todor D. aktiv geworfen. Um 16.12 Uhr ein Notruf. Todor D. soll eine Notärztin „nicht umfassend und wahrheitsgemäß“ über Herzstillstand und ergriffene Gegenmaßnahmen informiert haben. Im Krankenhaus habe man zunächst nicht gewusst, wie es zum komatösen Zustand kam, sagte ein Ermittler im Prozess. Eine Klinikärztin habe Anzeige erstattet.
Güllü D. kam als Koma-Patientin in eine Reha-Einrichtung. Sie starb am 28. April 2020 nach einer Lungenentzündung aufgrund einer Corona-Infektion. Der Prozess geht am 13. Mai weiter.
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