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Zuschussgeschäft. Berlins Wohnungsunternehmen verhandeln mit Bausenator Sebastian Scheel über ihre „Kooperationsvereinbarung“ – es wird auch um mehr Geld für günstiges Wohnen gehen.

© Jens Büttner/dpa

Personalengpässe, Insolvenzen, Klagen: Landesfirmen haben weniger Wohnungen gebaut als geplant

Die städtischen Wohnungsunternehmen bleiben deutlich hinter ihren Zielen zurück. Und das ist nicht ihr einziges Problem.

Wohnraum ist Mangelware in Berlin, erst recht wenn dazu noch die Miete bezahlbar sein soll. Doch es gibt Ausnahmen: Die Genossenschaften bieten ihren Mitgliedern günstige Unterkünfte – doch deren Häuser sind voll vermietet und die Wartelisten lang. 

Bleiben die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen. Zumal diese für 2020 den Baustart von fast zehntausend Wohnungen versprachen. Doch diese Zusage wurde nun kassiert.

Für Berlins Senator für Stadtentwicklung und Wohnen, Sebastian Scheel (Linke), kam am 7. Dezember mit dem „Jour fixe“, wie dessen Treffen mit den Chefs der sechs landeseigenen Unternehmen intern genannt wird, eine böse Überraschung: Den Grundstein für „nur“ 6644 neue Wohnungen haben die Vermieter günstigen Wohnnraums in diesem Jahr gelegt – fast ein Drittel weniger als geplant. 

Dabei war erst vor einem halben Jahr noch der Baustart von 9885 Wohnungen bis Ende des Jahres angekündigt worden. Die Sprecherin der Senatsverwaltung für Wohnen, Katrin Dietl, bestätigte diese Zahlen und erklärte sie so: Wegen Corona fehlten Mitarbeiter, wegen Personalengpässen in den Bezirken hätten Bäume nicht gefällt werden können. 

Es seien Fällgenehmigungen nicht erteilt sowie Eingriffs- und Ausgleichsgutachten gefordert worden. Auch Baugenehmigungen hätten gefehlt und Vergaben wiederholt werden müssen. 

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Hinzu gekommen seien Insolvenzen von Auftragnehmern sowie Klagen gegen Bauvorhaben. Aber: Die Zahl der „prognostizierten Fertigstellungen“ liege bei rund 4500 Wohnungen. „Dieses Ziel werden wir erreichen und voraussichtlich sogar übererfüllen.“

Das verfehlte Ziel bei den Baustarts steht im Jahresbericht der „Wohnraumversorgung Berlin“. Diese hatte der Senat auf Drängen von Mietaktivisten gegründet. Sie soll die Landesfirmen begleiten und auf Einhaltung deren sozialen Auftrags achten – darauf einigte sich der Senat mit den Organisatoren des so erfolgreich gestarteten „Mietenvolksentscheid“. 

Zu den Lenkungsinstrumenten der sechs Landesfirmen gehört auch die „Kooperationsvereinbarung“ zwischen diesen und dem Senat. Denn in dieser Vereinbarung verpflichten sich die Firmen zu einer mieterfreundlichen Geschäftspolitik. Doch die nun anstehende Novelle dieser Vereinbarung bringt die Firmen in arge Bedrängnis. Sie wird diese Woche verhandelt.

Bezahlbarer Wohnraum ist in Berlin Mangelware.
Bezahlbarer Wohnraum ist in Berlin Mangelware.

© Christophe Gateau/dpa

Jede zweite Wohnung könnte bald für Geringverdiener reserviert sein

Ein Beispiel: Der größte Teil der Siedlungsprojekte findet mangels Bauland in der Innenstadt in den äußeren Bezirken statt. Aber auch die Neubauten werden zu einem Zuschussgeschäft für die Landesfirmen, falls der Zusatz zur Kooperationsvereinbarung so kommt wie zurzeit vorgesehen. 

Denn Bausenator Scheel will die Vergabe der Wohnungen so ändern, dass jede zweite Wohnung für Empfänger von Transferleistungen oder sehr geringen Einkommen reserviert wäre. Um die geringeren Einnahmen auszugleichen, müsste ein Teil der neuen Wohnungen jedoch für zwölf Euro je Quadratmeter vermietet werden. 

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Doch so hohe Mieten können sich nur wenige leisten. Und wer es kann, wird für dieses Geld eher nicht an den Stadtrand ziehen wollen – sondern stattdessen gleich im Umland selbst bauen.

Für Kopfzerbrechen bei den Firmenchefs sorgt ferner die Regelung zur Mietabsenkung bei Wohnhäusern, die durch Ausübung des kommunalen Vorkaufsrechts dem Kreislauf maximaler Mieten und Immobilienrenditen des Wohnungsmarktes entzogen werden sollen. Aus der Senatsverwaltung für Wohnen hieß es, „wenn erforderlich, erhalten die Unternehmen einen Zuschuss“. Das Land stelle weiter sicher, dass die Firmen ihren Auftrag im Neubau erfüllen.

Hier möchte der Senat, dass nach Ausübung des Vorkaufsrechts für eine solche Immobilie jede zweite frei werdende Wohnung für 6,50 Euro je Quadratmeter und Monat neu vermietet wird – sofern der Durchschnitt aller Mieten der Immobilie über diesem Wert liegt.

Wer eine solche Wohnung ergattert, wird jubeln, denn am Wohnungsmarkt gibt es so niedrige Mieten nicht. Aber dieser Eingriff hat für die Landesfirmen zur Folge, dass die Einnahmen nicht mehr die Kosten der teuer gekauften Immobilie decken. 

Denn die landeseigenen Firmen haben zwar den Vorzug gegenüber privaten beim Zugriff auf die Immobilien. Sie müssen aber genau den Preis bezahlen, den private Geschäftspartner zuvor ausgehandelt hatten. Und Wohnungen für 6,50 Euro je Quadratmeter sind bei privaten Eigentümern in Berlin eine Rarität.

Landesfirmen lehnen Ausübung von Vorkaufsrecht ab

Die Folge der sozialen Vermietungspolitik: Die Landesfirmen benötigen auch dafür Zuschüsse. Darüber dürfte bei den Verhandlungen gestritten werden. Denn Bausenator Scheel hatte von den Landesfirmen gefordert, die fehlende Rentabilität durch einen Eigenanteil aus ihrem Kapital zu decken. 

Die Firmen hätten ja zuletzt Millionengewinne verbucht. Allerdings gelten solche „Buchgewinne“ in Firmenkreisen nicht als geeignet, um fortlaufende Verluste im laufenden Geschäft zu decken.

Die Folge: Die Städtischen hatten zuletzt die Ausübung des Vorkaufsrechts wiederholt abgelehnt. Zumal die ohnehin schon teuren Häuser aufgrund der Kooperationsvereinbarung noch unrentabler werden, da kein Mieter städtischer Firmen mehr als 30 Prozent seines Einkommens für das Wohnen bezahlen soll. Wer mehr zahlt, dem muss die Landesfirma die Miete erlassen – und diese bleibt auf dem Verlust sitzen.

Nicht passgerecht für alle Unternehmen ist ferner eine Sozialklausel, die den sechs Firmen gleichermaßen vorschreibt, noch einmal mehr als die bisher 60 Prozent aller Wohnungen an Haushalte zu vermieten, deren Einkünfte so gering sind, dass sie einen staatlichen Wohnberechtigungsschein erhalten. Diese Quote soll auf 66 Prozent steigen – also zwei von drei Wohnungen.

Nur: Bei weniger begehrten Großsiedlungen waren Landesfirmen im Gegenteil bestrebt, an Haushalte mit höheren Einkünften zu vermieten um dadurch die „Berliner Mischung“ wiederherzustellen, um ein Abdriften der Quartiere zu sozialen Brennpunkten zu verhindern.

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