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Friedbert Pflüger: "Für 18-Jährige soll Jugendstrafrecht nicht gelten"

Arrest kann abschreckend auf Jugendliche wirken, sagt der Fraktions-Chef der Berliner CDU, Friedbert Pflüger. Wegsperren allein aber hilft nicht.

Sind Jugendliche heute gewalttätiger als vor zehn Jahren, Herr Pflüger?

Ich fürchte: Ja. Familien funktionieren immer öfter nicht mehr und die jungen Leute sind häufiger sich selbst überlassen, weil die Wertevermittlung durch Familien, Kirchen und Schulen nicht mehr so erfolgt wie früher. Der TV-Konsum mit zahllosen Morden verdrängt zu oft das Gespräch mit der Familie.

Ist Kriminalität eine Frage der Herkunft?

Nein. Allerdings fühlen sich vor allem Jugendliche mit Migrationshintergrund in unserer Gesellschaft oft nicht aufgehoben und sehen für sich keine beruflichen und persönlichen Chancen. Diese Perspektivlosigkeit ist ein Nährboden für Gewalt. Das kann nur eine Erklärung, aber keine Entschuldigung für Gewalt sein.

Ist das Jugendstrafrecht auf die größere Gewaltbereitschaft vorbereitet?

Die Gesellschaft ist darauf nicht vorbereitet. Weder im Bereich von Bildung und Prävention noch bei der Ahndung von Straftaten. Die eskalierende Jugendgewalt, nicht zuletzt die Gewalt von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, ist zu lange tabuisiert worden. Deshalb ist es richtig, dass Roland Koch endlich eine breite Debatte darüber angestoßen hat.

Koch verlangt mehr Härte gegenüber jungen Straftätern.

Die Debatte sollte ruhig und sachlich geführt werden. Wir werden sie ohne pauschale Urteile und Vorwürfe führen. Aber ich fordere genauso klare Antworten.

Fördert Wahlkampf eine ruhige Debatte?

In Wahlkämpfen sollen die Kernfragen der Gesellschaft debattiert und nicht unter den Teppich gekehrt werden. Um eine solche Kernfrage handelt es sich hier. Wir dürfen nicht länger die Augen davor verschließen, dass sich ältere Menschen in unserer Stadt unsicher fühlen und Jugendliche Angst haben, von Gleichaltrigen abgezockt zu werden. Das hat nichts mit Populismus zu tun.

Geht das Strafrecht zu lax mit Tätern um?

Unsere Politik gegenüber Migranten hat in der Vergangenheit zwei Fehler gemacht. Wir begegnen denen, die zu uns kommen und hier leben und arbeiten, nicht offen und herzlich genug. Und wir neigen dazu, wegzuschauen, wenn Integration scheitert. Das Jugendstrafrecht ist ein Ausdruck dessen und muss deshalb verändert werden.

Wie?

Wer wählen und sich erwachsen fühlt, darf in Zukunft nicht mehr damit rechnen können, vor Gericht wie ein strafunmündiges Kind behandelt zu werden. Wer 18 ist, für den sollte das Jugendstrafrecht in aller Regel nicht mehr gelten.

Schon jetzt haben die Gerichte Wahlmöglichkeiten.

Das Jugendstrafrecht für 18-Jährige sollte zur Ausnahme werden. Wir fordern das seit Jahren.

Schrecken ein paar Wochen Arrest junge Leute vor neuer Gewalt ab?

Ich denke, einige Tage Arrest führen gerade Jugendlichen die harten Konsequenzen vor Augen, die ihnen drohen, wenn sie der Gewalt nicht abschwören. Allerdings reicht es nicht, Serientäter wegzusperren. Man muss ihnen mit erzieherischen Maßnahmen helfen, einen Weg zurück in die Gesellschaft zu finden. So, wie das etwa im brandenburgischen Frostenwalde geleistet wird.Das Gespräch führte Antje Sirleschtov.

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