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Prozess: Verrat per E-Mail: Polizist vor Gericht

Ein Beamter soll 2009 Hausbesetzer in der Brunnenstraße vor einer Räumung gewarnt haben. Der 26-jährige Angeklagte bestreitet das.

Die Hilfe kam unerwartet und war mit Verrat verbunden: Hausbesetzer in der Brunnenstraße erhielten am 23. November 2009 per E-Mail eine Warnung, die über den privaten Internetanschluss eines Polizisten abgeschickt worden war. „Morgen wird euer Haus gegen 18 Uhr geräumt“, hieß es darin. Sich selbst bezeichnete der Verfasser als Polizisten, der mit der linken Szene sympathisiere. Ein 26-jähriger Beamter wurde vor zwei Jahren als mutmaßlicher Verräter suspendiert. Jetzt steht er vor Gericht.

Die Räumung in Mitte wurde mit Geheimhaltung geplant. Die Sache aber sei „durchgesickert“, teilte der E-Mail-Schreiber einen Tag vor der geplanten Aktion mit. Vier Hundertschaften seien vorgesehen und auch ein SEK-Team. Die Post endete mit „solidarischen Grüßen“. Tatsächlich waren einen Tag später etwa 600 Polizisten im Einsatz, um das linksalternative Wohnprojekt in der Brunnenstraße nach einem jahrelangen Rechtsstreit zu räumen. Die Warnung, so stand für die Ermittler fest, konnte nur von einer Person aus den Reihen der Polizei stammen. Allerdings begann der Einsatz nicht um 18 Uhr, sondern bereits am Nachmittag.

Es gab Durchsuchungen und viele Vernehmungen, als der Vorfall bekannt wurde. Ratlos soll Nils D. vor seinen Kollegen gesessen haben. „Ich war das nicht, ich kann mir das nicht erklären“, sagte er. „Alle Zeugen waren von seiner Unschuld überzeugt“, erinnerte sich eine Ermittlerin vor dem Richter. Aber „rein von den technischen Fakten her“ sei man zu dem Schluss gekommen, dass nur D. es gewesen sein könne. „Seine IP-Adresse wurde schließlich ermittelt“, sagte die Zeugin. Was sie über Identitätsdiebstahl im Internet und das mögliche Knacken von verschlüsselten WLAN-Netzen wisse, wurde sie gefragt. „Da fehlen mir die nötigen Details“, gab sie zu.

Der Angeklagte wollte sich zum Vorwurf der Verletzung des Dienstgeheimnisses im Prozess noch nicht äußern. Er gab aber unerlaubte Blicke in das polizeiliche Auskunftssystem zu. Diese waren im Zuge der Ermittlungen aufgedeckt worden. D. hatte zwischen März 2009 und Januar 2010 Informationen über Personen aus seinem privaten Umfeld abgerufen. Bei den sechs Abfragen ging es ihm um den Verbleib einer früheren Lebensgefährtin, den plötzlich verschwundenen Bruder einer Bekannten oder die neue Adresse einer Ex-Freundin, die sich heimlich aus dem Staub gemacht hatte.

Gegen die Suspendierung vom Dienst war D. bereits im Sommer 2010 vor das Verwaltungsgericht gezogen. Er verlor. Es reiche, wenn der Verdacht nicht aus der Luft gegriffen und durch Tatsachen begründet sei, hieß es. Bis zur weiteren Klärung sei sein Verbleiben dem Dienstherren und der Öffentlichkeit nicht zuzumuten. Im Strafprozess sind noch viele Fragen offen. „Ich glaube, dass hier schlampig ermittelt wurde“, kritisierte die Verteidigerin. Für den 18. Januar hat das Gericht die Befragung eines technischen Gutachters vorgesehen.

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