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Niedergelegte Blumen am Fundort der ermordeten Susanne F.

© Thilo Rückeis

Prozess um Tiergarten-Mord: Viele Indizien weisen auf Schuld des Angeklagten hin

Schwierige Beweisführung und neue Überfälle: Im Prozess um den Mord an Susannen Fontaine wird das Netz der Indizien dichter.

Wann ist die Schuld eines Angeklagten erwiesen – und reicht die „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“ aus, um einen Menschen zu einer jahrzehntelangen Haftstrafe zu verurteilen für eine Tat, die er bestreitet? 30 Milliarden – oder: 10 hoch 21 – mal wahrscheinlicher ist es, dass es der Angeklagte A. war, der seinen genetischen Fingerabdruck an Hand und Körper der ermordeten Kunsthistorikerin Susanne Fontaine hinterließ und niemand anderes, sagte der Gutachter am Montag im Prozess um den Tiergarten- Mord. Von „Evidenz“ der Spur sprach er sogar und einer „eindeutigen Identifizierung“. Es war nicht das einzige Indiz, zu dem Zeugen an diesem vierten Prozess-Tag über das Verbrechen aussagten.

Wie dicht das Netz der Indizien am Ende ist, wird diesen Prozess entscheiden. Denn der Tschetschene A. bestreitet die Tat – und schweigt. Dass seine DNA am Körper der ermordeten Kunsthistorikerin nachgewiesen wurde, dazu gibt es diese Darstellung: Der Angeklagte habe den leblosen Körper entdeckt, nach Wertsachen durchsucht und dazu umgedreht. Nur: Andere Spuren als seine wurden an der Leiche von Susanne Fontaine eben nicht entdeckt – und müsste es diese nicht geben, wenn jemand anderes den Mord beging? Außerdem: Spricht nicht auch die Spur, die das Handy der Toten in den Netzen hinterließ, gegen A.?

Sicher ist: Die 16 Proben von DNA-Spuren am Körper des Opfers sind zwei Personen zuzuordnen – dem Opfer selbst und A. Und diese zwei sind wiederum deutlich voneinander zu unterscheiden. Nur Frauen haben zwei X-Chromosome, Männer eins und ein Y-Chromosom. Das des Täters ist dem Gutachter zufolge außerdem jedenfalls so ungewöhnlich in Berlin, dass im Register der Charité kein Vergleichbares zu finden ist.

Keine Spuren anderer Personen

Der eigentliche genetische Fingerabdruck wird allerdings nicht am Chromosom festgestellt, sondern durch eine „autosomale Typisierung“ und einem Abgleich mit einer Probe des Angeklagten. Und weil an der Leiche eine „hervorragende Spur“ und außerdem noch eine weitere „gute Spur“ entdeckt wurden und diese DNA identisch ist mit jener, die direkt vom Angeklagten entnommen wurde, ist jedenfalls sicher, dass dieser in direkten Kontakt mit dem Opfer kam.

Die Frage des Vorsitzenden Richters, ob es keine weiteren Spuren anderer Personen gegeben habe, verneinte der Gutachter – jedenfalls keine verwertbaren. Hinzu kommt die Menge des „Materials“, 140 Pikogramm, auch das spreche für einen „direkten Kontakt des Beschuldigten mit der Geschädigten“.

Die Verteidiger brachten „Alternativtäter“ ins Gespräch. Viele Obdachlose campen rund um den Bahnhof Zoo. Einer von ihnen soll in Baden-Württemberg im Jahr 2001 wegen Totschlags verurteilt worden sein. Dass sich die Ermittlungen nicht stärker auf ihn und auch nicht auf einen jungen Mann konzentrierten, der am Abend von Susanne Fontaines Verschwinden verletzt und aufgebracht in einer Betreuungseinrichtung in der Umgebung erschien, erklärte der LKA-Beamte Alexander Hübner mit einer viel interessanteren Spur: der vom verschwundenen Handy des Opfers nämlich. Auch das hinterließ Spuren: im Funknetz, „bewegte sich nach Frankfurt Oder“. Eine Person, die mit dem Handy des Täters nach Polen unterwegs ist, „das war für uns viel interessanter als alle Menschen im Umfeld“ zu prüfen, möglicherweise auf Verdacht mit einem DNA-Massentest.

Handy führte zu A.

Das Handy führte, wie berichtet, auf die Spur von A. Ein Ermittler schilderte dessen Festnahme in der Wohnung seines Bruders. Das Handy habe er bei sich gehabt. Bereits im Mai will A. es gekauft haben von einem Araber, dessen Namen er nicht nennen wolle. Und A. will bereits am 3. September nach Polen gereist sein, zwei Tage vor der Tat.

Aber das widerspricht den Ermittlungsergebnissen. Danach schließen die Ermittler anhand der Ortung des Funktelefons, dass sich dieses erst am 9. September in ein Netz in Polen einloggte, kurz zuvor aber noch in Frankfurt Oder und an Funkmasten, die an der Eurocity-Strecke vom Hauptbahnhof bis Warschau West liegen.

Auch Zeitpunkt der Beschaffung und Herkunft der SIM-Karte, die A. im Handy der Ermordeten nutzte, passt nicht zur Darstellung des Angeklagten. Die Karte wurde bei einem Handy-Laden in Wedding gekauft und erst drei Tage nach der Tat aktiviert.

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