zum Hauptinhalt

Berlin: Randsportart: Berglaufen macht einsam

Sonntagmorgen irgendwo hinter Wartenberg. Eine zierliche Frau joggt unbemerkt durch menschenleere Straßen.

Sonntagmorgen irgendwo hinter Wartenberg. Eine zierliche Frau joggt unbemerkt durch menschenleere Straßen. Sie genießt beim Laufen die Stille der Wege, die andeuten, dass Berlin hier bald zuende ist. Die Läuferin heißt Birgit Sonntag und vielleicht mag sie diesen Trainingstag ja gerade deshalb, weil er den selben Namen trägt wie sie. Doch viel eher liegt es wohl daran, dass sie für eine Sportart trainiert, in der man sowieso oft einsam ist. Die zweite Hälfte ihres Doppelnamens, den sie seit einigen Wochen hat, verrät da schon etwas mehr: Unterberger. Ihre Passion ist allerdings genauer das "über den Berg laufen". Birgit Sonntag-Unterberger ist Bergläuferin - eine erfolgreiche noch dazu und was viel unglaublicher ist: sie kommt aus Berlin. Eine Flachländerin, die in die ureigene Domäne der Alpinisten eindringt und dort erstaunliche Erfolge feiert, vergleichbar mit einem Ostfriesen, der beim Ski Alpin die Konkurrenz düpiert.

Birgit Sonntag-Unterberger winkt ab. "Es ist ja nicht so, dass es in Berlin keine Berge gibt", sagt die 24-Jährige mit einem Selbstverständnis, als stände in Berlin ein Mittelgebirge. Ihr bevorzugtes Laufgebiet ist die Kippe im Volkspark Prenzlauer Berg. Gelegentlich läuft sie auch in den hügeligen Regionen des Grunewalds und in Wannsee, weil ihr Trainer Stephan Aris dort lebt. Aber genau genommen trainiert sie Berglauf nicht speziell und auch noch nicht sehr lange. Umso spektakulärer sind daher die Erfolge, die sich die Athletin vom OSC Berlin in ihrem ersten Jahr erlaufen hat. Im Juni wurde sie Deutsche Berglaufmeisterin, zwei Wochen später Zweite bei der Europameisterschaft und die Krönung folgte im September bei der Berglauf-World-Trophy in Bergen (Chiemgau), als sie zur Überraschung der Elite nur 19 Sekunden hinter der Weltmeisterin einlief. Doch während sie in den Bergländern in der lokalen Presse eine kleine Prominenz ist, nimmt in Berlin kaum einer Notiz von ihr. Berglaufen ist in Norddeutschland eben nur Randsportart, eine kaum ernstgenommenen obendrein. Selbst für die Berlinerin war Berglaufen bis vor einem Jahr noch spaßige, aber strapaziöse Vorbereitung auf Marathon und Halbmarathon, vor allem das Bergab findet sie anstrengend. Das Bahnlaufen sei dagegen stupide. "Da hast du das Ziel vor Augen und fühlst dich bei jedem Schritt beobachtet." Bei den Bergstrecken sei das anders, da motiviere die Athmosphäre, sagt die Sportstudentin. Außerdem reize sie die Herausforderung, wie "gegen den Wind laufen" sei das. Berglaufen ist eben anders als über flache Strecken, auch etwas gefährlicher.

Die Idee, die neue Disziplin dann intensiver zu betreiben, entstammt ihrer "Urlaubs-Leidenschaft" für die Berge. Dort hat sie ihr Talent entdeckt, besonders bei den steilen Stücken der Konkurrenz davonzulaufen. Immerhin gibt es zum Teil über 1000 Meter Höhendifferenz. Dafür erntet sie selbst bei den alpinen Gegnerinnen Anerkennung. Das sie sogar ihre Flitterwochen mit dem Grand-Prix-Kalender in der Hand plante, hat sich ausgezahlt. Birgit Sonntag-Unterberger ist inzwischen in der (Berg-)Fachwelt beachtet und keinesfalls so alleine wie bei ihren Läufen durch die Berge. Auch wenn sie behauptet: "Berglaufen macht einsam, da es sich schlecht zu zweit trainiert."

Ingo Wolff

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false