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Kolumne "Darüber reden": Sätze, die ein Stotternder nie wieder hören will

Worte können verletzen – oder helfen. Hier berichtet ein stotternder Berliner, wie er angesprochen werden möchte.

Filippo Smerilli, 49, stottert, seit er drei Jahre alt ist. In seinem Leben hat er viele Ratschläge und Kommentare zu hören bekommen mit sehr unterschiedlicher Wirkung.

„Jetzt beruhige dich erstmal. Atme tief durch.“
Als ich ein Kind war, haben Familie und Freunde öfter zu mir gesagt: Das ist doch nicht schlimm, wir mögen dich trotzdem so, wie du bist. Das ist zwar wunderbar, verhindert aber vielleicht die Auseinandersetzung damit, dass es sehr wohl schlimm für einen selbst ist. Die meisten Menschen denken, dass Stottern etwas mit der Psyche zu tun hat, was nur selten stimmt, und trauen sich nicht, es zu thematisieren. Viele sehen weg, wenn ich eine Sprechblockade habe. Das vermittelt Peinlichkeit und Irritation.

„Kann ich irgendwas machen, das dir das Sprechen erleichtert?“
Ich habe zwei logopädische Therapien gemacht und mein Stottern mit verschiedenen Sprechtechniken heute recht gut im Griff. Was wirklich überhaupt nicht hilft, sind Sätze wie: „Du musst keine Angst haben“ oder „Atme tief durch“. Dann werde ich erst nervös und hektisch. Und es impliziert, dass ich etwas falsch mache. Ich hatte einmal einen Aushilfsjob in einer Steuerberatung, und nachdem ich in einem Kundengespräch stotterte, bekam ich Telefonverbot. Das Signal war also: Du bist nicht repräsentationsfähig.

[Filippo Smerilli unterstützt kostenfrei andere Stotternde in der Ergänzenden unabhängigen Teilhaberberatungsstelle Sprechraum.]

„Dagegen kann man doch was tun.“
Am förderlichsten ist es, den Blickkontakt zu halten und mich aussprechen zu lassen. Wenn andere Wörter und Sätze für mich vervollständigen, empfinde ich das als ungeduldig und entmündigend. Mir ist es sehr willkommen, auf mein Stottern angesprochen zu werden, aber nicht mitleidig, sondern neutral interessiert und empathisch. Zum Beispiel so: „Oh, du scheinst ja zu stottern, ich weiß da eigentlich gar nichts drüber, magst du mal erzählen, woher das kommt?“ Aus Irritationen heraus entsteht manchmal Lachen. Aber es ist ein schmaler Grat zwischen miteinander Lachen und ausgelacht werden. Ganz viele Stotternde haben als Kind die Erfahrung gemacht, ausgelacht zu werden. Es ist nicht leicht, das eigene Stottern mit Humor zu nehmen.

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