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Wahre Worte aus Kreuzberg.

© Jana Scholz

Gemeinsame Sache in Friedrichshain-Kreuzberg 2014: Kreuzberg: Euphorie und Ekel

Der erste Müll ist aufgesammelt, die ersten Stolpersteine funkeln wieder. Verfolgen Sie, wie die Anwohner in Friedrichshain-Kreuzberg ihre Kieze aufräumen.

Beim „Kein-Müll-Fest“ am Mariannenplatz in Kreuzberg ging es am Samstag – anders als der Name erwarten lässt – um Müll. Wie vermeidet man ihn, und wie kann man ihn verwerten, wenn er sich nicht vermeiden lässt? Die Mieter in den drei Wohnblocks am Mariannenplatz spielten Spiele rund ums Thema Müll, lösten Rätsel und speisten zusammen – alles, ohne neuen Müll zu produzieren. „Für unser Finger Food braucht man weder Pappteller noch Plastikbesteck“, erklärt Holger Scheibig. Der Städteplaner organisierte zusammen mit der Degewo die Aktion, bei der Anwohner spielerisch für die Mülltrennung sensibilisiert wurden. Das Wohnungsunternehmen vermietet 1300 Wohnungen am Mariannenplatz.

Rudolfplatz, Friedrichshain

Der "Saubere Rudi".
Der "Saubere Rudi".

© Jana Scholz

Wie neu sieht der Spielplatz in der Friedrichshainer Rudolfstraße am Ende des Aktionstages aus. Anwohner hatten den beliebten Spielplatz in der Aktion „Sauberer Rudi“ stundenlang von Glasscherben und Zigaretten befreit, aber auch Unkraut gejätet und Hecken beschnitten. „Man glaubt gar nicht, wie schwer Sand sein kann“, erzählt ein Helfer schmunzelnd, der sechs Schubkarren des überall verstreuten Sands in den Sandkasten zurück befördert hatte. Auch Tulpen- und Narzissenzwiebeln haben die Freiwilligen gepflanzt. „Tagsüber spielen hier Krabbelkinder, und abends feiern Jugendliche hier. Leider bleiben dabei Glasflaschen und Kippen liegen“, erklärt die Initiatorin der Aktion. Deswegen will sie jetzt mit den anderen Anwohnern Schilder aushängen, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Vor einem Jahr führte sie bereits in einer privaten Initiative eine Säuberungs- und Pflanzaktion durch. Durch ihr Engagement konnte sie das Grünflächenamt bewegen, einen zusätzlichen, großen Mülleimer auf dem Spielplatz zu platzieren.

Marheinekeplatz, Kreuzberg

Früher Ginko, jetzt Rosen.
Früher Ginko, jetzt Rosen.

© Jana Scholz

„Das sieht ja super-sauber aus!“, ruft Otto Fenner einem der freiwilligen Helfer zu. Der frisch gekehrte Bürgersteig in der Schleiermacherstraße in Kreuzberg strahlt in der Tat vor Sauberkeit. Doch auch die Hecken und Beete am Eingang der Passionskirche wurden bereits beschnitten und von Unkraut befreit. Viele der Freiwilligen kennen sich vom Gottesdienst in der Passionskirche. Außerdem treffen sich sich alle zwei Wochen nach Feierabend, um gemeinsam etwas zu unternehmen und über christliche Themen zu sprechen. Weil die Pflanzenkübel neben der Kirche recht verwahrlost aussehen, möchte Fenner sie neu bepflanzen, am liebsten mit Rosen. Der Lehrer erzählt, dass die Kübel in den 80er-Jahren mit Gingko-Bäumen bepflanzt wurden. Mittlerweile machen die Bäume jedoch einen kümmerlichen Eindruck. Am Schluss wollen die Freiwilligen noch das Armengrab auf dem Friedhof in der Zossener Straße pflegen, „um den Menschen, die sich kein Begräbnis leisten konnten, Respekt zu zeigen“.

"Wir gehören alle zur Gesellschaft" (Alevitische Gemeinde Kreuzberg)

Auch die alevitische Gemeinde half am Aktionstag Saubere Sache.
Auch die alevitische Gemeinde half am Aktionstag Saubere Sache.

© Jana Scholz

„Wir haben alle verschiedene Wurzeln, aber wir gehören auch alle zur Gesellschaft“, sagt Kadir Sahin. Er ist Vorstandsmitglied der alevitischen Gemeinde und Leiter der alevitischen Hochschulgruppe. Symbolisch für die verschiedenen nationalen Wurzeln steht der Kräutergarten der Gemeinde, in dem sowohl in Deutschland heimische als auch „Kräuter aus der alten Heimat“ wachsen, wie Oregano und Thymian. Studierende, Nachbarn und der Abgeordnete Agrarwissenschaftler Turgut Altug (Grüne) machten den Garten für den Winter fit, kehrten die Waldemarstraße und feierten ein „Kräuter-Ernte-Dank-Fest“. „In unserem Glauben ist die Natur ein Spiegelbild Gottes“, so Sahin. Ein Tee mit frischer Minze aus dem eigenen Garten bekommt dadurch eine ganz neue Bedeutung.

Die Schüler der Adolf-Glaßbrenner-Grundschule machen die BSR-Mitarbeiter arbeitslos

Die Kehrenbürger.
Die Kehrenbürger.

© Jana Scholz

Soll man die BSR-Weste über den Kopf den Oberkörper hinunter ziehen – oder doch besser von der Seite zuerst den einen Arm, dann den anderen? Für die jahrgangsübergreifende Klasse JÜLghi, insbesondere die Erstklässler, der Adolf-Glaßbrenner-Grundschule war die Aufräumaktion von Beginn weg ein Abenteuer. Zigarettenstummel, Ohrstäbchen und Kronkorken wurden mit euphorischem Ekel aufgepickt und gerne stolz dem Klassenlehrer präsentiert. Ein Auberginen-großer Zapfen sorgte für Verwirrung. Ist das jetzt Plastik und kann in die Tüte – oder ist er doch echt? „Wir haben schon alles weggemacht!“, rief ein Junge gegen Ende einem BSR-Mitarbeiter auf der anderen Straßenseite, der einfach regulär Dienst hatte, entgegen. „Habt ihr gut gemacht!“, antwortete er den Kindern hinüber. „Jetzt bin ich arbeitslos“, scherzte er für sich.

Großbeerenstraße 40: Das gestrichene Klassenzimmer

„Wir hätten noch Spachtelmasse besorgen sollen“, sagt Deniz Kauffmann und guckt auf die funktionslosen Dübel und nagelgroßen Bohrlöcher an der Wand der Bärenklasse 123i der Charlotte-Salomon-Grundschule. Mit acht Studentinnen aus dem Netz der Interkulturellen Freiwilligenagentur der Türkischen Gemeinde in Deutschland wurde dem Klassenraum ein frischer Anstrich verpasst. Auch ein Erzieher kam mit einem Akkuschrauber vorbei. Die Schüler hatten währenddessen in einem anderen Raum Unterricht. Schultaschen lagerten auf einem fröhlichen Haufen auf dem Flur. Kauffmanns achtjährige Tochter, die auch die Bärenklasse besucht, hatte die Idee für die für die Maleraktion. Die Wände seien so schmutzig. Wunsch Nummer eins wären neue Schultoiletten gewesen. „Aber dafür reicht das Geld nicht“, sagt Kauffmann. Schon Farbe und Malermaterial kosteten rund 200 Euro.

Die Carl-von-Ossietzky Gemeinschaftsschule hat wieder einen sauberen Schulhof

23 Achtklässler der Carl-von-Ossietzky-Gemeinschaftsschule in der Blücherstraße sammelten nicht nur Pfandflaschen, sondern auch Kastanien für die Erstklässler. Lesen Sie hier den vollständigen Text.
23 Achtklässler der Carl-von-Ossietzky-Gemeinschaftsschule in der Blücherstraße sammelten nicht nur Pfandflaschen, sondern auch Kastanien für die Erstklässler. Lesen Sie hier den vollständigen Text.

© Katharina Ludwig

Weil es unter den Autorädern derzeit so knackt, ist Haluk Kaplan, Lehrer der Carl-von-Ossietzky Gemeinschaftsschule, heute Morgen noch spontan eine Idee für die Aufräumaktion gekommen. Während die 23 Schüler seiner Klasse 8.15 auf dem Schulgelände, auf der Blücherstraße und der Urbanstraße Müll aufpicken, können sie auch Kastanien für die Erstklässler sammeln – in einer extra Tüte. Das kam auch bei den anfangs nörgelnden 13- bis 14-Jährigen schließlich gut an. Die Erstklässler der Gemeinschaftsschule sind ihre Patenkinder. Auch in den Mülleimern der Schulmensa steckte ein Bonus: Viele Schüler werfen Pfandflaschen achtlos weg. Die 8.15 sammelt sie ein Mal pro Woche und kauft für das Pfandgeld zum Beispiel Bleistifte und Plakatpapier.

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