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Wenn Kinder nicht ein- und durchschlafen, haben auch die Eltern unruhige Nächte. (Symbolbild)

© picture alliance / dpa

Schlafmangel bei Eltern und Kindern: „Eltern, die nicht schlafen, sind gereizter“

Ein Kinderarzt gibt Tipps, wie Eltern und ihre Kinder besser zur Ruhe kommen können.

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Viele Kinder wachen nachts auf, selbst wenn sie längst dem Babyalter entwachsen sind. Ab wann kann man von einer Schlafstörung sprechen?

Dass Kinder nicht immer durchschlafen, ist normal. Man sollte immer das Verhalten über einen längeren Zeitraum betrachten. Ein Hinweis für eine Schlafstörung ist regelmäßiges nächtliches Aufwachen über eine Dauer von vier Wochen. Weitere Kriterien dafür sind, wenn das Einschlafen nur mit elterlicher Hilfe funktioniert, das Kind länger als eine halbe Stunde zum Einschlafen benötigt, es mehr als dreimal nachts aufwacht oder wenn es in mindestens vier Nächten in der Woche aufwacht. Vor allem, wenn dann das Wiedereinschlafen nur mit elterlicher Hilfe funktioniert, und die nächtlichen Aufwachperioden länger als zwanzig Minuten dauern.

Wann sollten sich Eltern externe Hilfe holen und an wen können sie sich wenden?
Wenn Kinder mehrere dieser Kriterien über vier Wochen zeigen, sollten sie zunächst die Kinderärztin oder den Kinderarzt ansprechen. Zunächst geht es darum festzustellen, ob eine organische Ursache für die Schlafstörung vorliegt. Organische Ursachen könnten zum Beispiel schlafbezogene Atmungsstörungen sein. Die nicht organischen Schlafstörungen sind allerdings am häufigsten.

Welche könnten das sein?
Das sind psychologische Ursachen. Sie können zum Beispiel durch eine Reizüberflutung des Kindes entstehen. Durch zu hohen und nicht altersgemäßen Medienkonsum beispielsweise. Sie können aber auch durch einen unregelmäßigen Schlaf-wach-Rhythmus entstehen, wenn das Kind tagsüber zu viel schläft und abends deshalb nicht müde wird. Es gibt auch verhaltensbedingte Schlafstörungen, wenn das Kind nach dem Zubettbringen immer wieder aufsteht, verbunden mit dem Wunsch, noch etwas zu trinken, noch Musik zu hören oder ein Video zu schauen – nachdem das eigentliche Einschlafritual bereits beendet ist. Es ist daher empfehlenswert, dass Eltern von Anfang an ihren Kindern eine Orientierung dafür geben, wann welche Regeln gelten.

Wie kann ein Kinderarzt helfen?
Der Kinderarzt wird zunächst mögliche Ursachen mit den Eltern durchsprechen. Ich empfehle dann ein Schlaf-wach-Protokoll über zwei Wochen anzufertigen. Das kann helfen, eine Ursache zu finden. Wenn danach eine kinderärztliche Beratung zur Lösung der Problematik nicht ausreichend ist, wird die Kinderärztin oder der Kinderarzt die Familie zur psychologischen oder kinderpsychiatrischen Diagnostik und Therapie weiterleiten.

Wie äußert sich der Leidensdruck bei den Eltern?
Eltern, die unter Schlafmangel leiden, reagieren mitunter gereizter und sind ungeduldiger, was sich dann auch auf den Familienalltag auswirkt. Wie gravierend die Auswirkungen des Schlafverhaltens von Kindern auf den Schlaf ihrer Eltern ist, zeigt eine aktuelle Studie der Universität Warwick in Großbritannien. Danach kann es bis zu sechs Jahre dauern, bis Eltern nach der Geburt ihres ersten Kindes wieder so schlafen wie vor der Geburt des Kindes. Mütter sind deutlich mehr betroffen als Väter.

Was können Eltern tun, damit sie selber wieder besser schlafen können?
Der erste und vielleicht wichtigste Schritt ist, das Schlafverhalten des Kindes von Anfang an zu bahnen. Am Anfang ist das Stillen der wichtigste äußere Faktor, der in den ersten Lebensmonaten den Schlaf-wach-Rhythmus beeinflusst. Zwischen den regelmäßigen Stillzeiten sollte das Kind genügend Zeit zum Schlafen finden. Ansonsten ist es gut, wenn Mutter und Vater sich bei der Versorgung des Kindes abwechseln. So werden Freiräume geschaffen, um sich zurückzuziehen und zu schlafen. Auch ein Mittagsschlaf kann sehr hilfreich sein.

Vielen Eltern fällt es schwer, Schlaf nachzuholen, weil sie gar nicht zur Ruhe kommen.
Sicher. Das funktioniert nur, wenn Eltern hinreichend entspannt sind, nicht unter dem Druck leben, ständig ihr Kind unterhalten zu müssen, sondern sich selbst und vor allem auch ihrem Kind regelmäßige Ruhephasen zuzugestehen. Es gibt Trainingsprogramme für Eltern und Kinder, die bisher aber nur an wenigen spezialisierten Zentren angeboten werden. Hier besteht dringender Verbesserungsbedarf.

Alfred Wiater ist Kinderarzt und Vorstandsreferent der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Das Interview führte Saara von Alten.

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