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Schmuckstück. Von Außen sieht das Freienwalder Schloss repräsentativ aus, es müssen aber etliche Gebäudeschäden behoben werden.

© dpa

Bad Freienwalde: Schloss zu verkaufen: Refugium von Walther Rathenau sucht Retter

Schloss Freienwalde gehörte einst dem Außenminister der Weimarer Republik Walther Rathenau. Für ihn gibt es dort eine Gedenkstätte. Jetzt wird das Anwesen verkauft.

Ein malerisches Städtchen im Oderbruch, Kopfsteinpflaster, eine alte Backsteinkirche mit spitzem Turm. Wer heute den kurzen Weg vom Bahnhof hinauf zum rosa-weißen Schloss Freienwalde nimmt, kann sich vorstellen, wie sich Walther Rathenau vor über 100 Jahren gefühlt hat. Als er 1909 das erste Mal mit dem Auto ins heutige Bad Freienwalde kam, war der AEG-Spross und spätere Außenminister der Weimarer Republik sehr angetan von dem Schlösschen – und nahm sich dessen an. Jetzt soll es verkauft werden, und damit ein Ort, der eng mit der Entwicklung der Demokratie in Deutschland verbunden ist.

Hier entwickelte Rathenau liberale Visionen für Europa

„Hier wurden von Rathenau Visionen entwickelt und niedergeschrieben, die eine europäische Wirtschaftsgemeinschaft unter liberalen politischen Voraussetzungen zum Ziel hatten“, sagt Reinhard Schmook von der Gedenkstätte, die in den Räumen an das Leben des Politikers erinnert. „Einen politischen Austausch gab es vor allem mit Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg, der in zehn Kilometern Entfernung in Hohenfinow seinen Landsitz hatte. Man besuchte sich gegenseitig mehrere Male.“

Walther Rathenau (1867 - 1922)
Walther Rathenau (1867 - 1922)

© picture alliance / dpa

Das klassizistische Kleinod preußischer Landbaukunst passte zu Rathenaus Begeisterung für die preußische Kultur, war es doch 1798 und 1799 für Königin Friederike Luise, die Gemahlin Friedrich Wilhelms II., erbaut worden. Rathenau stellte das rund 100 Jahre nicht mehr dauerhaft genutzte Gebäude im Louis-seize- Stil wieder her, kaufte Möbel nach und achtete akribisch darauf, dass alles aussah wie zur Zeit der Königin.

„Als Jude konnte Rathenau noch so kultiviert und vermögend sein, in der Gesellschaft des Kaiserreichs erfuhr er wie andere Juden teils offene, teils verhohlene Ablehnung“, sagt Schmook.. „Der Kauf des Schlosses war eine Art Protest des bürgerlichen Juden gegen seine politische und soziale Ausgrenzung. Rathenau wollte damit zeigen, dass er sich sehr wohl in preußischen Traditionen sah und sich mit ihnen identifizierte.“

Die Nazis tilgten alle Erinnerung an den ermordeten jüdischen Minister

Von den stilechten Möbeln und prachtvollen Tapeten, die manche Bilder in der Gedenkstätte zeigen, ist heute kaum noch etwas übrig. Nach Rathenaus Ermordung 1922 und dem Tod seiner Mutter 1926 wurde das Anwesen dem Landkreis Oberbarnim überlassen mit der Auflage, dass Schloss und Park als Erinnerungsort an die preußische Kultur um 1800 und an Rathenau zugänglich sein sollten. Die Nazis tilgten jedoch nach der Machtübernahme alle Erinnerung an Rathenau, und zum Kriegsende 1945 wurde das Schloss geplündert.

Historischer Ort. Um Rathenaus Erbe kümmert sich Reinhard Schmook von der dortigen Gedenkstätte.
Historischer Ort. Um Rathenaus Erbe kümmert sich Reinhard Schmook von der dortigen Gedenkstätte.

© Maria-Mercedes Hering

1949 stand das Anwesen schon auf der Abrissliste, wurde dann jedoch ab 1953 als Puschkin-Haus für kulturelle Zwecke genutzt. Seit 1991 wird hier wieder an den Politiker erinnert, nachdem der damalige Landkreis Bad Freienwalde und die Walther-Rathenau-Gesellschaft gemeinsam eine Gedenkstätte einrichteten. Aktuell nutzt der Freundeskreis Schloss Freienwalde die Belle Etage für Kunst- oder historische Ausstellungen, im Obergeschoss ist eine Schau der Walther-Rathenau-Gesellschaft untergebracht.

Manche Möbel stammen noch aus Friederike Luises Zeiten

Manche Möbel aus Friederike Luises Zeiten stehen heute wieder in den 2001 bis 2007 renovierten Räumen: Die Schubladen der Kommode im rosafarbenen Schlafzimmer hat die Königin höchstselbst schon aufgezogen. Hier schlief auch Walther Rathenau. In den Räumen im ersten Stock hängen Fotos und Gemälde, manche Bilder fertigte der künstlerisch begabte Außenminister selbst an. Die Ausstellung zeigt Rathenaus Leben von der Kindheit über seine wirtschaftliche und politische Karriere bis zu seiner Ermordung und dem Gedenken an den Außenminister.

Städtchen am Hang. Bad Freienwalde schmiegt sich in eine hügelige Landschaft.
Städtchen am Hang. Bad Freienwalde schmiegt sich in eine hügelige Landschaft.

© Thilo Rückeis

Zum Ensemble gehört außerdem der als „Teehäuschen“ bezeichnete hölzerne Theaterpavillon, in dem Veranstaltungen mit bis zu 70 Gästen stattfinden, sowie das Gärtnerhaus, in dem heute die Verwaltung von Oderlandmuseum, Schloss und Rathenau-Archiv untergebracht sind. Schon seit 2013 versucht der Landkreis, mit der Stadt Bad Freienwalde eine neue Beteiligungsstruktur zu organisieren, was laut Reinhard Schmook aber gescheitert ist. „Wegen fehlender Alternativen für Erhaltung und Betrieb des Parkensembles mit Schloss, Tee- und Gärtnerhaus soll die Liegenschaft veräußert werden“, heißt es im „Exposé zum Vergabeverfahren Veräußerung der Liegenschaft Schloss und Schlosspark Bad Freienwalde (Oder)“.

"Das Rathenau-Gedenken soll bei der Vergabe berücksichtigt werden."

Bei der Vergabe soll laut Exposé unter anderem darauf geachtet werden, dass das kulturelle Erbe und vor allem das Rathenau-Gedenken angemessen berücksichtigt und das Ensemble zum Stadtbild passend erhalten wird. Außerdem soll die Parkanlage der Öffentlichkeit zugänglich bleiben, das Ensemble auf rund 100 000 Quadratmetern soll zur wirtschaftlichen Entwicklung sowie zur Bedeutung Freienwaldes als Kurort beitragen.

Schmook schätzt den Investitionsstau auf rund 2,5 Millionen Euro. „Hier muss eine Menge gemacht werden“, sagt er beim Rundgang durch das Schloss. So werden auch im Ausschreibungsexposé „diverse Mängel und Bauschäden“ erwähnt, „das Kellergeschoss (Restaurantbereich) ist auf Grund des Gebäudezustands aktuell nicht nutzbar. Es zeigen sich an Decken und Wänden Feuchteschäden, die Abdeckung der Terrasse ist defekt und somit undicht, Feuchtigkeit dringt ein.“ Zudem ist Putz an der Fassade zu erneuern.

Der Käufer muss erstmal ordentlich investieren

Reinhard Schmook betont: „Wer das hier nutzen will, sollte wissen, dass man hier ordentlich investieren muss.“ Auch im weitläufigen Park mit den zerfurchten Sandwegen und den von Gestrüpp durchzogenen Wiesen und Anpflanzungen muss einiges getan werden. Die Ausschreibung für die Teilnahme am Vergabeverfahren läuft noch bis zum kommenden Donnerstag, dem 21. März. Aus den Bewerbungen um die Teilnahme sollen dann drei bis fünf ausgewählte Bewerber ihre Angebote einreichen.

Ziel ist eine Begegnungsstätte mit Gastronomie

Reinhard Schmook wünscht sich für das Schloss keine Nutzung als reines Museum, sondern es sollte eine Begegnungsstätte werden. Kultur, Geschichte und Veranstaltungen könnten hier versammelt werden, dazu brauche es eine Gastronomie. Bis 2006 war im Souterrain das Schlosscafé untergebracht, Schmook kann sich noch an die im Sommer volle Terrasse erinnern. „Ohne Gastronomie fehlt dem Schloss ein großer Teil der Attraktivität.“ Der Volkskundler ist zuversichtlich, dass sich eine Lösung finden wird. Am liebsten wäre ihm, dass sich ein Privatmann findet, der alle Bedingungen der Ausschreibung erfüllt, vor allem das Andenken an Walther Rathenau wahrt. Aber auch wenn sich vorerst kein neuer Betreiber findet, ist nach Schmooks Meinung dann der Druck auf Stadt und Landkreis höher, über eine Lösung zu verhandeln. Die Rathenau-Gesellschaft, zu deren Vorstand Reinhard Schmook gehört, will sich an der Erinnerung an den Außenminister finanziell beteiligen.

Informationen zu Öffnungszeiten etc.: www.schloss-freienwalde.de

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