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Schule: Alles im Lack: Wenn Autos Kunst sind Kassel zeigt die „Auto-Nom-Mobile“

Ein Rennwagen ist schöner als die Nike von Samothrake. Das wussten schon die italienischen Futuristen, die darin Geschwindigkeit, Dynamik und Modernität gleichermaßen verkörpert sahen.

Ein Rennwagen ist schöner als die Nike von Samothrake. Das wussten schon die italienischen Futuristen, die darin Geschwindigkeit, Dynamik und Modernität gleichermaßen verkörpert sahen. Mobilität veränderte unser Leben wie wohl kaum etwas anderes im 20. Jahrhundert, und so fährt das Automobil kreuz und quer durch die neuere Kunstgeschichte: Legendär wurden John Chamberlaines Schrottskulpturen ebenso wie Peter Keetmans hochglänzende Fotografien von VW-Kotflügeln und Wolf Vostells Betonskulptur „Ruhender Verkehr“.

Eine Ausstellung in Kassel vereint mit Werken von knapp 30 Künstlern ein breites Spektrum an zeitgenössischen Interpretationen rund ums Auto. 2003 griff die Ausstellung „Auto-Nom“ das Thema bereits auf, die aktuelle Schau „Auto-Nom-Mobile“, für die der Kasseler Kunstverein den Kulturbahnhof nutzt, speist sich aus der ursprünglichen Ausstellung und ergänzt sie durch neuere Werke. Wolfgang Hainkes Installation im Eingangbereich etwa, für die er die Sammlung eines Automechanikers mit einem ausgeprägten Faible für geschmolzene Alltagsgegenständen mit eigenen Filmen und einem „Luftgarage“ zu einem lustvollen Kabinett vereint oder Frank Kästners mit fünf Kilometern klarer Verpackungsfolie umwickeltes Auto – ein hochglänzender, stillgelegter Fetisch.

Eine Ausstellung in der – maßgeblich von BMW finanzierten – Ausstellung bilden die so genannten Art Cars. 1975 bat der französische Auktionator und Rennfahrer Hervé Poulain den Künstler Alexander Calder seinen Rennwangen zu gestalten, einen BMW. Die BMW Group entschloss sich, das Experiment weiterzuführen: Andy Warhol, Roy Lichtenstein und Frank Stella gestalteten in den darauffolgenden Jahren Rennwagen, inzwischen sind 15 Art Cars zusammen gekommen, die im unteren Stockwerk der Ausstellung einen denkbar exklusiven Fuhrpark bilden. Übertrugen die Künstler anfangs ihren ganz eigenen Stil schlicht aufs Automobil werden mit den Jahren auch kritischere Töne laut: „Protect me from what I want“ hat Jenny Holzer auf einen weißen BMW V12 LMR geschrieben. Das nächste Projekt wird ein ökologisches Auto von Olafur Eliasson.

Wie sperrig Kunst im wahrsten Sinne des Wortes sein kann beweist der Meisterprovokateuer Satiago Sierra im oberen Stockwerk: 1998 ließ er eine vielbefahrene Ausfallstraße in Mexiko-City blockieren, indem ein riesiger weißer Truck sich quer stellte. Der Verkehr kommt zum Erliegen. Fünf Minuten wird scheinbar die Zeit angehalten, nur leise ist das Hupen zu hören. Dann löst sich der Knoten einfach wieder auf.

Auto-Nom-Mobile, KulturBahnhof Kassel, bis 26. Februar.

Katrin Wittneven

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