Schule: Angst in der Höhe
Brückengeländer an deutschen Autobahnen sind nicht sehr stabil. In den letzten Wochen stürzten wieder zwei Lastwagen in die Tiefe
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Wrackteile liegen herum, Ladung ist im Umkreis verstreut: Immer wieder durchbrechen Lkw bei Unfällen mit ihrem tonnenschweren Gewicht Leitplanken sowie Brückengeländer und stürzen viele Meter in die Tiefe. Allein zwei Unfälle dieser Art ereigneten sich im Februar in Schwerin und in Ravensburg. Dem Professor für Massivbrückenbau, Jürgen Stritzke, zufolge kann es jederzeit wieder geschehen.
Denn die 1,20 Meter hohen Brückengeländer an Deutschlands Autobahnen halten nur einem Druck von 80 Kilogramm pro laufendem Meter stand. „Das entspricht der Konstruktion eines Geländers für Fußgängerbrücken. Für eine höhere Belastung sind sie nicht geschaffen. Für ein Auto oder gar einen Lastwagen stellen sie quasi keinen Widerstand dar“, sagt der Professor des Instituts für Massivbau der Technischen Universität Dresden.
Fußgängern indes ist der Zutritt auf Autobahnen streng verboten – was Geländer, die an Autobahnbrücken zwar Fußgänger sichern, nicht aber Autos, zunächst unsinnig erscheinen lassen könnte. Stritzke hingegen weiß, wofür sie gut sind: „Brücken werden regelmäßig technisch inspiziert. Die Arbeiter müssen dort also gesichert sein.“
Nach Ansicht des Professors sind es „Einzelfälle, wenn Lastwagen von Brücken hinab stürzen“. Einzelfälle mit tragischen Folgen allerdings: Bei dem Unfall in Schwerin wurde der 55-jährige Beifahrer in einem Lkw tödlich verletzt, der von einer Autobahnbrücke der A 20 gestürzt war. Nahe Ravensburg verlor ein österreichischer 36-Tonner auf der A 96 die Kontrolle über sein Fahrzeug, kam von der Fahrbahn ab und fiel von der Talbrücke Obere Argen 40 Meter in die Tiefe. Der 40-jährige Fahrer starb.
Der wohl bislang spektakulärste Unfall ereignete sich im August 2004. Damals raste ein Sportwagenfahrer unter Drogeneinfluss in einen mit 32 000 Liter Treibstoff beladenen Tankwagen. Der Gefahrguttransporter geriet auf der A 4 nahe Gummersbach ins Schleudern, durchbrach die Leitplanken und stürzte die rund 100 Meter hohe Wiehltalbrücke hinab. Der Fahrer wurde bei dem Unfall getötet. Der Lkw explodierte beim Aufprall, die Feuerwehr konnte die Flammen erst nach Stunden löschen. Das unter der Brücke liegende Dorf Weiershagen entging nur knapp einer Brandkatastrophe. Der Schaden lag bei 40 Millionen Euro.
Als mögliche zusätzliche Sicherungsmaßnahmen nennt Stritzke etwa eine Verstärkung von Leitplanken auf Brücken. Auch eine Erhöhung des Sockels, in den die Brückengeländer einbetoniert sind, sei denkbar. Besonders durchbruchsicher sind dem Professor zufolge Betonwände als sogenannte passive Schutzeinrichtung. Wo diese Wände installiert werden, bestimme der Bund als Betreiber der Autobahnen in Abstimmung mit dem jeweiligen Bundesland, sagte Stritzke. Kommunen könnten allerdings entsprechende Anträge bei der Straßenbauverwaltung des Landes stellen, etwa um unter Brücken liegende Häuser oder Dörfer besser zu schützen, sagte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums in Berlin.
Insgesamt hat sich Angaben des Statistischen Bundesamtes zufolge in Deutschland die Zahl der Unfälle mit Güterfahrzeugen 2005 um 1,3 Prozent auf 51 745 gegenüber 2004 erhöht. 2005 kamen dabei 1158 Menschen ums Leben. ddp
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