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Schule: Die Oberklasse hat sie wieder

Es waren harte Jahre für Citroen. Jetzt kehren die Franzosen in die Liga der Besten zurück. Erste Begegnung mit dem langen C6

„Ein Auftritt, der dem Stil der Marke höchsten Ausdruck verleiht. Seine klaren Linien, die fließenden Formen und die Balance der Volumen verleihen ihm zugleich die stattliche Erscheinung einer Limousine und die Eleganz eines Coupés.“

Sie kennen das. Wann immer jemand versucht, Ihnen mit dem Holzhammer dieses oder jenes beizubiegen, werden Sie skeptisch. Oder Sie denken just das Gegenteil dessen, was Ihnen eingebleut wird. So gesehen sind die Vermarkter des neuen C 6 unglaublich mutige Leute. Wie viele Superlative, wie viele Seiten Schwelgen in Schönheit! Nach dem Blättern im Präsentationsbuch liegt die Latte für diesen Neuling der automobilen Oberklasse derart hoch, dass der C6 bei der ersten Begegnung eigentlich nur drunter her fahren und verlieren kann. Das jedenfalls war die Theorie. „In echt“, wie der Vierjährige zuhause manchmal sagt, in der Realität also, da braucht der C6 dann nicht mal eine Sekunde, und schon hat er die Theorie kassiert. Oha. Der ist wirklich noch schöner als auf den Fotos. Ganz schön schön. Schön anders.

Der C6 steht nicht. Er liegt. Ein Flachmann mit weichen Übergängen von einem Karosserieteil zum nächsten. Die Details laufen ineinander: die doppelte Chromleiste auf dem Kühlergrill in die Scheinwerfer; die Scheinwerfer in die Motorhaube; die Seitenscheiben in die Rückleuchten; schier alles ist dieses Mal glatt gegangen bei den Designern von Citroen. Lang, unendlich lang streckt sich der Wagen, hinten nur wenig Blech hinter den Rädern, kurzer Überstand, wie Fachleute das nennen, aber vorne, da steht dafür richtig was über. So viel, dass die Reaktionen geteilt sind beim Premieren-Publikum. Die Proportionen stimmen nicht, sagen einige. Aber das stimmt nicht.

Einsteigen in das vor einem liegende Auto fällt nicht eben leicht, jedenfalls nicht beim ersten Mal. Knapp überm Asphalt nimmt der Fahrer tief Platz, die Sessel sind bequem, nicht zu weich, wie manch andere der Franzosen. Nach ein paar Minuten aber spürt man die Wangen der Sitze, ein wenig schmaler hätten sie ausfallen dürfen. Hell ist es hier drinnen, die großen, rahmenlosen Fenster und das aufpreispflichtige Glasdach lassen das Interieur regelrecht leuchten. Die Sonne scheint durch auf getöntes Weiß, Fußraum, Lenkrad, Ledergestühl, alles cremefarben. Eine frische Abwechslung zum üblichen Grauerlei, sicher. Aber wie wirkt angeschmuddeltes Creme nach einem Winter in Berlin? Auf den ersten Blick gefällt das Material des schlicht gezeichneten Cockpits, auf den zweiten enttäuscht es. Der Kunsstoff ist der Oberklasse unwürdig hart. Und die riffelige Oberfläche erinnert an Audis A3 in den Anfangsjahren – dessen Eigner sind reihenweise an der staubfangenden Struktur verzweifelt. Die Instrumente mit typischem Digitaltacho sind vernünftig angeordnet, das mittig sitzende Musik-, Telefon- und Navigationssystem liefert eine herausragende Bildqualität.

Das serienmäßige Highlight der Innenausstattung ist dann erst bei laufendem Motor zu sehen: das Head-Up-Display. Das Fahrtempo wird auf die Frontschreibe projiziert und liegt damit jederzeit im Blickfeld des Fahrers – ein Sicherheitsmerkmal, mit dem man zunächst fremdelt, nach kurzer Zeit aber möchte man es für immer behalten.

Das gilt umsomehr für den Diesel, der (nach ersten Vergleichsfahrten) dem Benziner in jedem Falle vorzuziehen ist. Die Maschine mit ihrem maximalem Drehmoment von 440 Newtonmeter ist für jeden noch so unvernünftigen Antritt durchzugsstark genug, sie arbeitet ebenso leise wie rußfiltersauber – und sie harmoniert prächtig mit der Sechsgang-Automatik des C6. Das Zusammenspiel ermuntert zu einem regelrecht sportlichen Fahrstil, der fast vergessen macht, dass hier eine riesige Reiselimousine unterwegs ist, um das Wort „Komfort“ auf die Straße zu schreiben. Das Fahrwerk schließlich bügelt Unebenheiten eindrucksvoll aus, auch, weil die elektronisch gesteuerte Hydropneumatik den Wagen stets auf gleichem Niveau hält. Nur bei tiefen Löchern und auf grobem Berliner Kopfstein stößt diese Technik an ihre Grenzen – aber das war auch schon bei der DS so, mit der Citroen in den Fünfzigern eine ganz schön schöne Legende gebar: die Göttliche.

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