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Zufrieden im Job, doch total überlastet: Berlins Rektoren bleibt kaum Zeit fürs Schulleiten
Fünf bis sechs Stunden Mehrarbeit leisten Mitglieder von Schulleitungsteams in Berlin und Hamburg. Zeit für die Kernaufgaben bleibt kaum. Trotzdem lieben fast alle ihren Beruf.
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Heillos überlastet, trotzdem nicht unzufrieden: Mitglieder von Berliner und Hamburger Schulleitungsteams leisten pro Woche durchschnittlich fünf bis sechs Stunden Mehrarbeit. Fast die Hälfte kommt in Schulwochen regelmäßig über die 48-Stunden-Grenze. Manche gaben sogar an, mehr als 60 Stunden zu arbeiten.
Trotzdem ist, anders als bei Lehrkräften, die Berufszufriedenheit hoch. Das ergab eine Studie der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Georg-August-Universität Göttingen, die am Dienstag vorgestellt wurde. Sie gehört zu einer großen Arbeitszeituntersuchung bei Lehrkräften im Auftrag der Berliner Bildungsgewerkschaft GEW.
Kritisch erwähnten die Studienleiter Frank Mußmann und Thomas Hardwig vor allem, wie wenig von dieser umfangreichen Arbeitszeit eigentlichen Schulleitungsaufgaben gewidmet sei. Dass Mitglieder von Schulleitungsteams pro Woche durchschnittlich noch mindestens zehn Zeitstunden Unterricht gäben, habe ihn überrascht, sagte Mußmann.
Die Zeit, die für Schulleitungsaufgaben bleibe, werde durchschnittlich zu zwei Dritteln für Verwaltung, Organisation und Dokumentation verwendet. Für pädagogische Gestaltung und Personalführung stünden den Studienteilnehmern an Gymnasien zum Beispiel pro Woche nur rund dreieinhalb Stunden zur Verfügung.
Dass die Verwaltungsaufgaben immer mehr und die Zeit für pädagogische Führung immer weniger werde, sei für fast alle Studienteilnehmer der größte Stressfaktor, sagten die Studienleiter. Eine große Rolle spielt hier Personalmangel: Rund die Hälfte der Befragten gab an, höheren Aufwand zu haben, weil an der jeweiligen Schule Leute fehlten.
Wir fühlen uns oftmals sehr alleingelassen als Schulleitungen.
Stephan Wahner, Leiter einer Grundschule
Besonders stachen hier Berliner Grundschulen hervor. Generell, betonten die Studienleiter, habe sich durchgehend gezeigt, dass Lehrkräfte mit Schulleitungsaufgaben in Berlin unter schlechteren Bedingungen arbeiteten als in Hamburg – wo die Belastung allerdings ebenfalls als hoch empfunden wird.
Schulleiter: Der Beruf muss attraktiver werden
„Ich fühle mich in dieser Studie sehr gut beschrieben“, sagte denn auch Stephan Wahner, der eine Grundschule in Prenzlauer Berg leitet. Wahner schilderte seine vergangene Schulwoche: kranke Sekretärin, Hausmeister im Urlaub, seit Jahren keine Verwaltungskraft und dazu drei Abendtermine, die seinen Arbeitstag weit ausgedehnt hätten – in einem Fall über mehr als 14 Stunden.
Dazu habe er die Vertretung für eine kranke Kollegin übernommen und 17 statt seiner normalen acht Stunden unterrichtet. Diese Woche müsse er wegen erkrankter Erzieherinnen eine dritte Klasse zum Schwimmen begleiten, berichtete Wahner – alles Extraaufgaben, die er zusätzlich zur eigentlichen Schulleitungstätigkeit übernehme.
85 Prozent der Befragten würden den Job wieder wählen
Hinzu komme, dass die Kommunikation mit Schul-, Grünflächen- und Hochbauamt für die verschiedenen Bedarfe seiner Schule oftmals beschwerlich sei, weil auch bei den Behörden Personalmangel herrsche. „Wir fühlen uns oftmals sehr alleingelassen als Schulleitungen“, sagte Wahner. Auch angesichts der Pensionierungswelle müsse der Beruf dringend attraktiver werden.
Trotz großen Stresses und dem vorherrschenden Gefühl, lang und möglichst schnell arbeiten zu müssen, hat die Studie auch positive Ergebnisse: Die Arbeitszufriedenheit ist überraschend hoch bei Lehrkräften mit Schulleitungsaufgaben. So würden sich 85 Prozent der Befragten erneut für die Schulleitungstätigkeit entscheiden und ihre Schule auch als guten Arbeitsplatz empfehlen.
88 Prozent schätzen die Unterstützung durch ihr Kollegium, und gleich 97 Prozent erleben ein positives, unterstützendes Schulklima. 90 Prozent der Befragten gaben an, durch ihre Arbeit wertvolle Dinge erreicht zu haben, also Erfüllung gefunden zu haben. Diese Werte sind bei „normalen“ Lehrkräften deutlich niedriger: In einer anderen Ausgliederung der Arbeitszeitstudie hatte fast jede zweite Berliner Lehrkraft angegeben, sie würde den Beruf nicht noch einmal wählen.
Dennoch sagte Mußmann: „Die extremen Arbeitszeiten der Lehrkräfte mit Schulleitungsaufgaben sind kein individuelles Versagen, sondern ein strukturelles Problem.“ Die Politik müsse dafür sorgen, dass sich die Arbeitsbedingungen verbessern. Bei dauerhaft überlangen Arbeitszeiten drohten Erschöpfung und Burn-out sowie Besetzungsprobleme für Schulleiterstellen.
Die GEW Berlin forderte mit Blick auf die Studienergebnisse erneut eine verbindliche Arbeitszeiterfassung für Berlins Schulen. „Wir brauchen zudem an jeder Schule Verwaltungsleitungen sowie deutlich mehr Ressourcen für die Schulorganisation und die Schulentwicklung“, sagte Sven Dudkowiak für die Bildungsgewerkschaft.
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