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Schwerer Missbrauchs-Vorwurf: Was ein Kriminologe zu Besuchen im Maßregelvollzug sagt
Im Maßregelvollzug gelten strenge Regeln für Besuche. Der Verdacht auf schweren Missbrauch in Brandenburg wirft aber auch Fragen auf. Was sagt ein Kriminologe über Sicherheit und Besuchsmöglichkeiten?
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In Einrichtungen des Maßregelvollzugs werden längere und unüberwachte Besuche von Partnern und Familienangehörigen erst nach längerer Zeit der Beobachtung und Prüfung gewährt. Darauf weist der Kriminologe und Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden, Martin Rettenberger, hin. Im Maßregelvollzug in Brandenburg an der Havel - eine Unterbringung für psychisch auffällige Straftäter - soll ein Insasse ein Kind schwer missbraucht haben.
Ob „Langzeitbesuche“ am Ende einer Kette von Lockerungen zugelassen würden, richte sich nach dem individuellen Krankheitsbild, dem Therapiefortschritt und einer fortlaufenden Gefährlichkeitseinschätzung, sagte der Kriminologe der Deutschen Presse-Agentur zum allgemeinen Vorgehen im Maßregelvollzug. „Solche Entscheidungen trifft man ganz sicher nicht leichtfertig.“ Es werde immer sorgfältig geprüft, ob Gefahren für andere Menschen bestünden.
Gesundheitsministerium schweigt zu Hintergründen
Das zuständige Gesundheitsministerium in Potsdam hält sich weiterhin mit Angaben zu dem Fall und den Umständen bedeckt. Aufgrund der laufenden Ermittlungen und zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Beteiligten erteile das Ministerium keine Auskünfte, hieß es.
Der ärztlichen Leitung der Klinik wurde fristlos gekündigt. Das Ministerium lässt zudem die gesetzlichen Regelungen, die Hausordnungen sowie die Besuchsregelungen untersuchen.
Ob es in dem nun bekannt gewordenen Fall Abweichungen von einem üblichen Verfahren oder Fehler gab, war bislang unbekannt. Auch wann der Missbrauch stattgefunden haben soll, blieb unklar. Das Ministerium spricht von einem „gravierendem Vorfall“, der Anfang November gemeldet worden sei.
Mehrstufiges Lockerungsverfahren
Besuche für Untergebrachte im Maßregelvollzug können Rettenberger zufolge in speziellen Räumen auf dem Klinikgelände stattfinden - nach längerer Zeit der Unterbringung auch in kleinen Wohneinheiten, die nicht überwacht werden und in denen auch intime Begegnungen möglich sind. Voraussetzung dafür sei aber stets, dass zuvor ein mehrstufiges und engmaschig kontrolliertes Lockerungsverfahren durchlaufen worden sei.
Dieses beginne mit ersten Bewegungsfreiräumen auf der Station, erweitere sich schrittweise auf das Klinikgelände – zunächst begleitet, später unbegleitet – und könne erst nach längerer Bewährungszeit zu Ausgängen außerhalb der Einrichtung führen. Besuchskontakte würden über lange Zeit ausschließlich unter Aufsicht erfolgen. Externe Gutachter seien regelmäßig beteiligt, so der Direktor der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ), die eine Forschungseinrichtung des Bundes und der Länder ist.
„Ein Restrisiko bleibt“
Einen hundertprozentigen Schutz, dass von Untergebrachten keinerlei Gefahr mehr ausgehe, gebe es dennoch nie. Ein Restrisiko bleibe stets bestehen, sagte Rettenberger. Bei einem Gewaltvorfall müsse immer untersucht werden, ob es Hinweise auf Risiken gegeben habe oder ob der vorgeschriebene Prüfprozess unzureichend durchgeführt worden sei.
Experte: Schwere Gewaltdelikte im Maßregelvollzug selten
Nach Angaben aus dem Bereich des Maßregelvollzugs sind Fälle schwerer Gewaltdelikte im Rahmen solcher Lockerungen aber äußerst selten. Bekannt sind laut Rettenberger zwei Vorfälle in den vergangenen Jahren, bei denen Lebensgefährtinnen attackiert wurden. Einmal sei es zu einer Vergewaltigung, einmal zu einem nicht-sexuellen Gewaltverbrechen gekommen.
Kliniken handhaben Lockerungen dem Kriminologen zufolge unterschiedlich, orientieren sich aber an denselben Grundsätzen: Wer wegen Delikten untergebracht ist, die keine sexualisierte Gewalt gegen Kinder umfassen und bei denen dieses Thema im Therapieverlauf keine Rolle spielt, wird in diesem Bereich als weniger risikorelevant bewertet. Es gebe andere Menschen, die nach Jahrzehnten keinerlei Lockerungen erhielten.
Im Maßregelvollzug werden Straftäter untergebracht, die aufgrund ihrer Erkrankung nicht oder nur vermindert schuldfähig sind. Die Menschen sollen in der forensischen Psychiatrie behandelt und die Öffentlichkeit vor ihnen geschützt werden. Im Land Brandenburg gibt es zwei solcher Einrichtungen.
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