zum Hauptinhalt

© IMAGO/Markus Matzel

Update

„Sich nicht zum Auszug drängen lassen“: Mieterverein erwartet mehr Eigenbedarfskündigungen in Berlin

Der Berliner Mieterverein warnt vor Eigenbedarfskündigungen, die oft ein hohes Risiko für Mieter darstellen und in den kommenden Jahren zunehmen werden. An Betroffene formuliert er Ratschläge.

Von Nadia Jusufbegović

Stand:

Der Berliner Mieterverein geht davon aus, dass auch in den kommenden Jahren vielen Mietern wegen Eigenbedarf gekündigt wird. „Eigenbedarfskündigungen sind ein strukturelles Problem in Berlin. Wir erwarten, dass das Beratungsgeschehen in den kommenden Jahren auf hohem Niveau bleibt oder sogar zunimmt“, sagte Sebastian Bartels, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins.

Der Mieterverein verzeichnete seit 2020 eigenen Angaben zufolge jährlich rund 2000 Beratungen zu Eigenbedarfskündigungen. Einer Auswertung des Vereins von mehr als 500 Rechtsberatungsfällen zufolge gibt es vor Eigenbedarfskündigungen oft Streitigkeiten zwischen Mietern und Vermietern, etwa über die Miethöhe, Mängel oder Modernisierungen. 

Einem Großteil dieser Eigenbedarfsanmeldungen sei bereits ein belastetes Mietverhältnis vorausgegangen, so der Bericht des BMV, den dieser am Donnerstag vorstellte. „Jede fünfte Kündigung stand im Zusammenhang mit Streit über eine überhöhte Miete“, berichtet der Mieterverein. „In mindestens 13 Prozent der Fälle wurde die Wohnung in den drei Jahren vor der Kündigung verkauft“, habe die Auswertung der gut 500 Beratungen ergeben. Jeder vierten Eigenbedarfskündigung sei eine Räumungsklage gefolgt.

Aus der Analyse geht außerdem hervor, dass es „bei jeder zehnten Eigenbedarfskündigung einen konkreten Verdacht auf den vorgeschobenen Eigenbedarf“ gibt. „In einem besonders harten Beratungsfall meldete der Vermieter Eigenbedarf an, nur um anschließend aus der Wohnung ein Airbnb zu machen“, berichtet Geschäftsführer Bartels.

Mieterverein rät, nicht sofort zu reagieren

„Wir raten allen Betroffenen, nicht vorschnell und ohne rechtliche Beratung auf die Kündigung zu antworten, erst recht sich nicht zum Auszug drängen zu lassen“, rät Bartels. „Viele sind durch eine Kündigung wirklich verzweifelt und deshalb nur eingeschränkt reaktionsfähig“, sagt Rainer Tietzsch, der Vorsitzende des BMV. Oft würden sich betroffene Mieter kaum erst in eine Beratung trauen oder würden den Forderungen der Vermieter irgendwann nachgeben, weil der Prozess trotz rechtlicher Unterstützung des BMV zu belastend sei. Trotzdem: „Wir ermuntern die Mieterschaft zu kämpfen, wenn es um die eigene Existenz geht“, sagt Bartels.

Der BMV schlägt vor, nur mit anwaltlichem Rat auf die Kündigung zu reagieren. Außerdem wird mit der Anmeldung von Eigenbedarf immer eine Frist gesetzt, um einen Härteeinwand einzulegen – also anzugeben, warum äußere Umstände es dem Mieter unmöglich machen, auszuziehen.

In einem Viertel der Fälle, die vor Gericht landeten, wurde zugunsten der Mieter entschieden, in 62 Prozent ein Vergleich ausgehandelt. Auch wenn ein solcher Prozess zehrend sein kann, zeigten diese 25 Prozent gewonnene Fälle, wie wichtig es sei, nicht einfach vor der Kündigung zu kapitulieren, so Bartels. „Vor Gericht am tragfähigsten ist der Einwand, dass man keinen angemessenen Ersatzwohnraum findet.“

Insgesamt wurden in Berlin im vergangenen Jahr der Justizverwaltung zufolge mehr als 7500 Räumungsklagen bei den Amtsgerichten eingereicht. Die Amtsgerichte meldeten der Justizverwaltung zufolge mehr als 2.200 Räumungen im Jahr 2024. Die Räumungsklagen und die durchgeführten Räumungen stehen nicht alle im Zusammenhang mit Eigenbedarfskündigungen.

Kündigungen wegen Eigenbedarf seien kein Randphänomen mehr, „sondern eine der direktesten Formen der Verdrängung“ von Mietern auf dem Berliner Wohnungsmarkt, so der Mieterverein. Auf Landesebene fordert der BMV unter anderem, dass Räumungsurteile nach erfolgreicher Anmeldung von Eigenbedarf erst vollstreckt werden dürfen, wenn die räumungspflichtigen Mieter „zumutbaren Ersatzwohnraum“ gefunden haben.

Auch der Personenkreis, für den Eigenbedarf angemeldet werden kann als Vermieter, solle eingegrenzt werden auf direkte Verwandtschaft. So würden die Möglichkeiten zur Eigenbedarfsanmeldung weiter schschrumpfen. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })