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Der Eingang des Landgerichts Berlin mit dem Schriftzug des Gerichts und dem Berliner Wappen.

© dpa/Taylan Gökalp

Sie hatte ihren Sohn ertränkt: Berliner Gericht verurteilt Mutter wegen Mordes zu sechs Jahren Haft

Die kranke Frau hielt ihre Lage für aussichtslos: In einer Wanne wollte sie nicht nur sich selbst ertränken. Für den heimtückischen Mord an ihrem Sohn soll sie nun in Haft kommen.

Nach einer Krebsdiagnose beschloss eine 25-Jährige, sich und ihren zweijährigen Jungen zu töten. Sie wurde nun des Mordes schuldig gesprochen. Sie betäubte ihren zwei Jahre alten Sohn, nahm dann selbst Medikamente und legte sich mit dem Kind in die gefüllte Badewanne. Felix ertrank. Seine Mutter überlebte. Sie habe sich des Mordes schuldig gemacht, urteilte das Berliner Landgericht am Mittwoch. Sechs Jahre Haft ergingen gegen die 25-Jährige.

Nach einer Krebsdiagnose habe Anja N. (Name geändert) den Entschluss gefasst, ihr Leben zu beenden und den Jungen mitzunehmen. Sie habe befürchtet, ihrem Kind nicht die Mutter sein zu können, die sie meinte sein zu müssen. Anja N. habe sich in einer schweren depressiven Episode befunden – ausgelöst durch die Diagnose. Ihre Gedanken hätten sich auf „empfundene Ausweglosigkeit“ verengt, sagte der Vorsitzende Richter Gregor Herb.

Das Gericht folgte einem psychiatrischen Gutachten und ging von einer verminderten Steuerungsfähigkeit aus. Das führe zu einer Verschiebung des Strafrahmens. Im Normalfall wird Mord mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe geahndet.

Am Morgen des 2. Oktober vorigen Jahres setzte sie um, was sie aus Sicht des Gerichts schon länger geplant hatte. In der Wohnung der Familie in Gesundbrunnen gab sie ihrem kleinen Felix laut Ermittlungen eine größere Menge von Schmerz- und Beruhigungsmitteln. Der Junge sei schläfrig geworden, aber nicht gestorben.

Nachdem sie selbst verschiedene Medikamente eingenommen und sich Insulin gespritzt hatte, legte sie sich mit dem Kind in die befüllte Badewanne – „Felix mit dem Gesicht nach unten auf ihren Bauch gepresst“, sagte der Richter. Als der Ehemann und Vater den Zweijährigen und dessen Mutter schließlich gegen Mittag entdeckte, „kam Hilfe für Felix um Stunden zu spät“. Die Mutter war zwar nicht ansprechbar, aber sie atmete.

Es sei ein Heimtücke-Mord, sagte Richter Herb. Die Angeklagte habe ihren Plan umgesetzt, als ihr Mann in einem Nebenzimmer tief schlief, arglos war. „Sie wollte, dass es gelingt.“ Wäre der Vater auf das Geschehen aufmerksam geworden, „hätte er eingegriffen und seinen Sohn vor dem Tod bewahrt“. Einige Tage vor der Tat habe sie einen Abschiedsbrief geschrieben.

Anja N. und ihr Mann hatten 2019 geheiratet, im Frühjahr 2022 zogen sie von Heidelberg nach Berlin. Sie hatten kaum soziale Kontakte, auch nicht zu ihren Eltern. Die Krankenschwester und der Buchhalter übernahmen Nachtschichten, um ihren Sohn rund um die Uhr betreuen zu können. Nach der Diagnose Brustkrebs im Juni 2023 sei seine Frau nachdenklicher geworden und habe eine Behandlung abgelehnt, hatte der Mann im Prozess erklärt. Doch mit einer solchen Tat habe er nicht gerechnet. Der Vater saß als Nebenkläger mit im Saal. Seine Anwältin sagte, sein Ziel sei, „dass seine Frau so milde wie möglich bestraft wird“. Er habe ihr verziehen und möchte die Zeit, die ihr noch bleibe, mit ihr verbringen.

Mit der verhängten Strafe blieb das Gericht unter dem Antrag der Staatsanwältin, die zehn Jahre Haft wegen Mordes verlangt hatte. Der Verteidiger hatte auf Totschlag in einem minderschweren Fall plädiert, aber keinen konkreten Antrag gestellt. Anja N. habe ihr Kind über alles geliebt. Sie habe sich in einem seelischen Ausnahmezustand befunden, so der Anwalt.

Der Vorsitzende Richter wandte sich nach der Urteilsbegründung noch einmal an die Angeklagte, die im Prozess immer wieder geweint hatte. Es stehe der Strafkammer nicht an, ihr für ihren Umgang mit ihrer Krebserkrankung Ratschläge zu geben. „Aber immerhin haben Sie einen Ehemann, der Sie bedingungslos liebt.“ Dies könne ihr vielleicht Ansporn sein, noch einmal über eine Krebsbehandlung nachzudenken. 

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