Urteilsverkündung: Sieben Jahre Haft für Hauptbahnhof-Amokläufer
Zehn Monate nach dem Amoklauf bei der Eröffnungsfeier des Berliner Hauptbahnhofs hat das Landgericht Berlin einen heute 17-Jährigen zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren Haft verurteilt.
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Berlin - In dem nichtöffentlichen Prozess wurde der Schüler des versuchten Totschlags in 33 Fällen und der achtfachen Körperverletzung schuldig gesprochen, wie eine Justizsprecherin mitteilte. Der Verteidiger des Jugendlichen kündigte an, dass dieser die Strafe akzeptiere. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der heute 17-Jährige im Mai 2006 im betrunkenen Zustand insgesamt 41 Personen "wahllos" angegriffen und diese durch Messerstiche oder Faustschläge zum Teil schwer verletzt habe. Acht Menschen hatten in Lebensgefahr geschwebt.
Das Motiv des Amoklaufs konnte vor Gericht nicht eindeutig geklärt werden. Die Richter äußerten die Vermutung, dass es dem Angeklagten darum gegangen sein könnte, "Macht und Überlegenheit auszuüben" und "als Herr über Leben und Tod zu agieren", wie die Justizsprecherin erläuterte. Er habe dabei zwar nicht die Absicht gehabt zu töten, es sei ihm aber gleichgültig gewesen.
Ein Gutachter hatte in der Alkoholisierung des bisher nicht vorbestraften Jugendlichen die "Ursache des Amoklaufs" gesehen. Das Gericht ging von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit aus, der Blutalkoholspiegel von rund zwei Promille habe sich aber nicht strafmildernd ausgewirkt. Das Gericht habe betont, dass "jemand, der weiß, dass er unter Alkohol straffällig wird, keine Strafmilderung erwarten kann", sagte die Sprecherin. Der 17-Jährige habe aufgrund früherer Vorfälle gewusst, dass er unter Alkoholeinfluss gewalttätig sei.
Täter entschuldigt sich
Im Prozess hatte der Jugendliche angegeben, keine Erinnerung an das Tatgeschehen zu haben. Einen kompletten Gedächtnisverlust hatte ein Gutachter hingegen als "eher unwahrscheinlich" bezeichnet. Die Anklage war ursprünglich von 37-fachem Mordversuch ausgegangen. Das Mordmerkmal der Heimtücke habe das Gericht "nicht mit letzter Sicherheit" bestätigten können, sagte Verteidiger Herbert Hedrich nach dem Urteil. Zu Gunsten des Angeklagten sei angenommen worden, dass er "die Arg- und Wehrlosigkeit" der Opfer nicht bewusst ausgenutzt habe.
Mit dem Urteil liegt das Gericht zwischen den Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung, die Strafen von siebeneinhalb Jahren und höchstens sechs Jahren gefordert hatten. Hedrich betonte, dass sein Mandant sich nochmals bei allen Opfern entschuldige. Die Anwälte der Nebenkläger waren im Wesentlichen dem Antrag der Staatsanwaltschaft gefolgt. Das Urteil treffe ihre Erwartungen, sagte Rechtsanwalt Andre Kurnoth. Eine Wiedergutmachung könne eine Strafe, "egal welche Höhe", nicht sein. "Für die Geschädigten bleiben die Folgen", sagte Kurnoth. In dem seit Ende Februar laufenden Prozess gegen den Jugendlichen waren 66 Zeugen und ein Gutachter gehört worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (tso/ddp)
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