zum Hauptinhalt

Berlin: Soll der Eisbär im Zoologischen Garten bleiben?

Knut abgeben? Das wäre herzlos, ein ganz schlechter Witz.

Knut abgeben? Das wäre herzlos, ein ganz schlechter Witz. Knut ist das, was der Zoo wieder einmal braucht: Ein Bewohner, der die Herzen rührt, eine Identifikationsfigur, die der kleine Elefant Kiri vor ein paar Jahren war; der aber überlebte nicht und hinterließ einen Phantomschmerz. Knut ist der kleine weiße Teddy, den die Stadt an ihr Herz drückt, den sie liebt und mit dem sie möglichst lange kuscheln will. Von dem sie sich aber auch erhofft, dass er groß und stark wird. Der große öffentliche Zuspruch zeigt, dass Knut unsere Stimmung hebt, uns wirklich gut tut, uns Wärme gibt. Dem Zoo beschert er in den nächsten Wochen und Monaten einen Besucherandrang und schon jetzt eine unbezahlbare Werbewirkung. Der kleine Eisbär ist außerdem ein international beachteter Zuchterfolg, um den uns andere Zoos beneiden. Aber kaum hat die Mutter den Bären verstoßen, denkt der Zoo schon daran, es ihr gleichzutun. Geht es Knut wirklich woanders besser? Dieser Bär ist ein Sympathieträger, ein Publikumsmagnet. Der fotogene Teddy ist eine Ausnahmeerscheinung – für den Zoo, für die Stadt. Darf man ihn dafür bestrafen, dass er hoffentlich gedeiht und zum richtigen Raubtier wird? Die Liebe der Berliner wird ihn in jedem Alter beständig begleiten, weil Knut inzwischen ein Begriff wie Knautschke ist, das noch immer legendäre Flusspferd. Wer die große Liebe der Berliner zu ihrem Zoo nicht trüben will, der sollte die wirklich gewaltige Sympathiewelle dieser Tage als klare Botschaft verstehen: Lasst ihn hier! Den Tag, an dem Knut narkotisiert, in eine Kiste verpackt und aus seiner Heimatstadt abtransportiert wird – den könnten die Zoo-Verantwortlichen noch verfluchen.

Klar, kleine Eisbären sind so süß. Kleine Tiger auch. Kätzchen, Welpen ebenfalls. Jeder sieht kleine Tiere gern, und sie sind einfach eine Super-Werbung für jeden Zoo. Aber irgendwann werden aus niedlichen Zoo-Attraktionen große Tiere. Und die sind dann eben nicht mehr süß, sondern bringen durchaus Probleme mit sich. Diese würde auch ein großer Eisbär Knut dem Zoologischen Garten bescheren, selbst wenn man sich das jetzt bei den Bildern des knuddeligen Bärchens überhaupt nicht vorstellen kann. Es hat schon seine guten Gründe, warum die Zoologischen Gärten bei ihren Zuchtprogrammen international zusammenarbeiten und untereinander ihren Tiernachwuchs austauschen. Denn vernünftige Zuchterfolge kann es nur geben, wenn Tiere von außen dazu kommen. Das ist auch in Hinblick auf die Erhaltung gefährdeter Tierarten wichtig, zu denen die Eisbären ebenfalls zählen. Eine reine Zoo-Inzucht wird nicht erfolgreich sein können; die würde es aber in Berlin zwangsläufig geben, wenn Knut hier bliebe. Darüber hinaus bedeuten diese Abkommen ja auch, dass Zoo und Tierpark nicht nur Tiere abgeben, sondern auch welche erhalten und davon profitieren.

Außerdem werden die Züchter in Zoo und Tierpark es bestimmt schaffen, uns bald wieder Tiernachwuchs zu präsentieren, der die Menschen massenhaft begeistert und anlockt. Wie wäre es denn mal mit einem Panda-Baby? – Okay, schlechter Scherz. Aber kleine Flusspferde, Raubkatzen, Primaten oder auch Braunbärchen lassen sich bestimmt ebenso hervorragend vermarkten. Aber das hat ja noch Zeit. Denn jetzt erfreuen wir uns erst einmal weiter an dem kleinen, süßen Knut. Sigrid Kneist

Christian van Lessen

Zur Startseite