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Berlin: Sonntags um zehn: "Wir warten auf einen neuen Himmel und eine neue Erde"

Sonntags um zehn fand diesmal Samstag um 11 Uhr statt - nicht weil etwas verwechselt und schon gar nicht vergessen wurde. Im Gegenteil, weil etwas einmal nicht vergessen werden sollte.

Sonntags um zehn fand diesmal Samstag um 11 Uhr statt - nicht weil etwas verwechselt und schon gar nicht vergessen wurde. Im Gegenteil, weil etwas einmal nicht vergessen werden sollte.

Als vor 56 Jahren das Konzentrationslager Auschwitz etwa um diese Uhrzeit befreit wurde, befand sich unter den 4800 Überlebenden nur noch eine einzige Rom. Hunderttausende waren zuvor ermordet worden. Zum Holocaust-Gedenktag hatte die Romani Union Berlin und das Roma Pen Zentrum jetzt zu einem Symposium eingeladen, das mit einer Andacht in der Französischen Friedrichstadtkirche am Gendarmenmarkt eröffnet wurde.

Pfarrer Manfred Richter vom Kunstdienst der Evangelischen Kirche hielt den Gottesdienst ab. Gemeinsam mit dem in Berlin lebenden Roma-Schriftsteller Rajko Djuric hat er mehrere Bücher herausgegeben und fühlt sich so dem Anliegen dieses Volkes verbunden.

Es handele sich bei den Roma und Sinti doch um die frühesten und vorbildlichsten Europäer, zitierte Richter den Schriftsteller Günter Grass, da sie seit 1000 Jahren den ganzen Kontinent als ihre Heimat betrachteten. Und weiter zitierte er Yehudi Menuhin, wonach der Faschismus erst wirklich verschwunden wäre, wenn sich Roma in ganz Europa frei und ohne Angst bewegen könnten. Richter erinnerte daran, dass zu der Zeit, als die Friedrichstadtkirche gebaut wurde, Berlin durch den Zuzug von Flüchtlingen erst zu einer großen Stadt wurde und tatsächlich von diesen den Namen "Mutter der Flüchtlinge" verliehen bekam. "Seid willkommen, Roma aus aller Welt", bekräftigte Richter deshalb - nicht ohne ein leicht ermahnendes Wort an sie zu richten. Es müssten beide Seiten für das Zusammenleben lernen. Die Roma und Sinti unter anderem, wie sie ihre Traditionen behalten und sich dennoch an die modernen Lebensweisen anpassen könnten. Doch ihre Liebe zum Leben sollte als Botschaft in das moderne Europa eindringen.

Der 27. Januar sei ein besonderer Tag, sagte Richter: Ein Tag der Befreiung und damit auch der Dankbarkeit. Und so füge es sich, dass der Psalm für die kommenden Woche tatsächlich mit den Worten beginne: "Danket dem Herren, denn er ist freundlich." Natürlich gäbe es an diesem Tag auch die Trauer, "aber wenn wir leben, sollten wir nicht in der Trauer verharren", sagte Richter.

Ein junger Rom las daraufhin abwechselnd mit ihm Texte von Djuric auf Romanes und in deutscher Übersetzung. Im dem Gedicht "Ohne Heim, ohne Grab" heißt es: "Verschlossen ist der Himmel / Die Erde scheint öde / Ohne eine Menschenseele / Wo sollen wir hin / Wie weit noch." Doch Richter hielt dem Gedicht den Lehrtext des Tages aus dem zweiten Petrus-Brief entgegen: "Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung."

Alexander Pajevi¿c

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