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Berlin: Spiel, Spaß und deutsche Grammatik

Im Problemkiez nahe der Rütli-Schule werden Kinder in den Ferien betreut – und lernen dabei

Berlin - Eine Straßenkreuzung in Neukölln, Sommer, Sonne, Kinder. Im Schatten zweier Kastanienbäume, gleich neben dem kleinen Kioskhäuschen, stehen Tische, auf denen produktives Chaos ausgebrochen ist: Eine junge rothaarige Frau und ein Mädchen basteln an einem Pappmaschee-Dinosaurier. Am Nachbartisch entsteht aus alten Zeitungen und klebriger Mehlsuppe ein Schlangenwesen. Kleinkinder laufen umher. Passanten bleiben stehen. Eine Schüssel mit Melonenstücken wird herumgereicht, unter der zweiten Kastanie sitzen Mütter mit Kinderwagen und plaudern. Dahinter, auf dem Sportplatz, spielen einige Jungs Fußball.

Das Sommerferienprogramm am Neuköllner Reuterplatz richtet sich an Kinder, die mit ihren Familien nicht verreisen können, deren Eltern keine Mittel oder Zeit haben, sich aufwendig um sie zu kümmern. Das vom Bezirk und privaten Trägern organisierte Angebot ist kostenlos und erfordert keine Anmeldung. An zehn Orten in Neukölln gibt es das Programm; bis zu 120 Teilnehmer kommen zu den Veranstaltungen. Hier in Neukölln-Nord, nahe der durch ihre Gewaltprobleme bekannt gewordenen Rütli-Schule, erreicht die Quote der Kinder nicht deutscher Herkunft dabei schon mal 90 Prozent.

Auch Eyfer, die nun schon seit Stunden mit Hingabe an dem klebrigen Dinosaurier herumwerkelt, kommt aus einer kinderreichen türkischstämmigen Familie. Die 13-Jährige geht auch in der Schule gern zum Kunstunterricht. Sie werkelt und werkelt, unermüdlich – und stellt damit unter den Kindern vom Reuterplatz eine Ausnahme dar. Den meisten gelingt es kaum, sich für länger als eine halbe Stunde zu konzentrieren. Für die Betreuer ist das aber kein Grund zur Verzweiflung. Sie kennen die Unfähigkeit der Kinder, sich zu konzentrieren, ihren Argwohn, sich auf Bastelarbeiten einzulassen, die mehr als einen Tag in Anspruch nehmen. Sechs Erwachsene kümmern sich allein am Reuterplatz darum, die zwei Dutzend Kinder nicht nur zu beschäftigen und anzuregen, sondern ihnen auch etwas beizubringen: Respekt, Höflichkeit, Beständigkeit, außerdem Grammatik und Wortschatz.

„Viele der Kinder können sehr schlecht Deutsch“, erzählt Christine Skowronska- Koch vom Nachbarschaftsverein „Elele“, die das Projekt ehrenamtlich leitet, „auch ihre Muttersprache sprechen sie oft nur auf einem Alltagsniveau“. Neben der Sozialpädagogin engagieren sich für einen geringen Stundenlohn zwei Künstlerinnen und ein Sportwissenschaftler auf dem Reuterplatz, dazu ein Student und ein Kfz-Mechaniker. Gerade deren Einsatz macht aus dem Angebot mehr als eine kostenlose Kinderbetreuung. „Wir wollen“, sagt Arnold Mengelkoch vom Jugendamt Neukölln, „einen niedrigschwelligen Zugang zu Kindern schaffen und Jugendliche gezielt in eine der 28 Neuköllner Freizeiteinrichtungen leiten“. Anders gesagt: „Wir holen,“ sagt Mengelkoch, „die Kinder dort ab, wo sie sind, direkt vor der Tür“. Die Mittel dafür sind kaum der Rede wert. 6000 Euro kostete das Projekt am Reuterplatz – für den ganzen Sommer.

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