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Rainald Goetz

© dpa

Literatur: Brenne, Berlin, brenne

Neuigkeiten von Popschriftsteller Rainald Goetz: Sein Blog "Klage" wird in Buchform erscheinen. Seit Februar letzten Jahres schreibt er in poetisch-polemischen Tagebucheinträgen im Internet über die Hauptstadt, die Kultur-Bohème, Tagespolitik und schlechten Journalismus.

Es war eine ironische Allianz - im Februar letzten Jahres begann Rasierklingen-Schriftsteller Rainald Goetz sein Blog "Klage" im Angebot des neu lancierten Lifestyle-Magazins "Vanity Fair" - also im Umfeld eines Hochglanzjournalismus, den Goetz selbst in Essays schon Mitte der 80er begraben hatte. Der Popliterat schrieb wieder, jubelte das Feuilleton; sein letztes Buch war vor sieben Jahren erschienen, sein letztes Theaterstück vor zehn Jahren. Gerüchte gingen um, dass er in der Zwischenzeit an einem Roman über den Berliner Politikbetrieb geschrieben, aber das Manuskript verbrannt hätte. Für Oktober ist nun bei Suhrkamp sein Blog "Klage" als Buchveröffentlichung vorgesehen. 

In den Texten geht es wild durcheinander: Berliner Impressionen, Luhmann lesen im Mauerpark, merkwürdige Veranstaltungen der Literatur- und Kunstszene, politische Polemiken, Tageslyrik - die erratische Blogform passt zu Goetz. Bereits 1998 hatte er ein Online-Tagebuch geschrieben, zu einer Zeit, als es das Wort "Blog" noch gar nicht gab. "Abfall für alle" erschien damals ebenfalls als Buch - ein 860 Seiten dicker "Roman eines Jahres". Bei "Klage" treten der klassischen Ichfigur eines Tagebuchs und Blogs Protagonisten wie "Goethe" oder "Kyritz" an die Seite. Die Einträge sind oft ein Spiel mit der Form - eine einzige poetisch-polemische Assoziationsmaschine.

Bei "Klage" hat man es weniger mit einem Blog, sondern eher mit der älteren literarischen Form des Reflexionstagebuchs zu tun. Das Internet funktioniert hier als tagesaktuelles Übertragungsmedium, Hyperlinks oder Interaktivität bleiben jedoch außen vor. Bis große Mengen Text auch angenehm auf Bildschirmen und in der Badewanne gelesen werden können, haben Buchversionen von literarischen Blogs ihre Berechtigung. So schreibt auch Rainald Goetz mehrdeutig in seinen "Klage"-Schriften: "Hunger nach Inhalt: das Netz."

Peer Göbel

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