
Rauchverbot: Kalt erwischt
Der Sage Club ist Vorreiter beim Schutz der Nichtraucher. Doch die erste Party der qualmfreien Zeit hat gezeigt: Es gibt Widerstand.
In der Dunkelheit der Tanzfläche glimmt immer wieder ein helles Leuchten auf. Erst vereinzelt und verschämt in der Ecke, dann immer mehr und offen auf der Tanzfläche. Einzelne Rauchschwaden steigen hoch. Ein Gast sieht die anderen ihre Zigaretten anzünden und sagt: „Wenn die das machen, kann ich das auch.“ Der Unterschied in der Luft wird zunehmend spürbar. Vorher lag ein leichter Alkoholgeruch in der Luft, aber das Atmen fiel deutlich leichter. „Sage Club“- Betreiber Sascha Disselkamp sagte schon vor Beginn: „Wir stehen nicht daneben und werfen Leute raus. Wir weisen höchstens darauf hin.“
Das Management hatte sich – im Gegensatz zum überwiegenden Teil der Branche – auf die qualmfreie Zeit vorbereitet. Schilder weisen bei der ersten Party nach Inkrafttreten der neuen Bestimmungen darauf hin, dass man noch im Innenhof qualmen darf. Doch viele Raucher sind zu faul, sich auf den relativ langen Weg dorthin zu machen. Und kalt ist es dort auch noch, trotz aufgestellter Heizpilze. Zwei, die sich nicht abschrecken lassen, sind Tina und Sandra. „Das ist furchtbar. Wir haben überlegt, ob wir wieder gehen“, sagt Tina. Dabei haben es die Raucher vergleichsweise komfortabel, und das nicht wegen Heizpilzen und Kickertischen, sondern wegen der Tatsache, dass es den Raucherbereich überhaupt gibt. In anderen Clubs müssen Gäste mangels geeigneter Räumlichkeiten aufs Rauchen verzichten oder vor die Tür gehen – wenn das Rauchverbot nach der Übergangsphase durchgesetzt wird, die am 1. Juli endet.
Solange wollte der ehemalige Raucher und heute passionierte Nichtraucher Disselkamp nicht warten. „Du musst dir nur mal unsere Abluftanlage anschauen. Die ist schwarz. Das Ding trieft vor Teer“, sagt er. Er sitzt im noch leeren Separée im Keller des Clubs. Aschenbecher sucht man hier, wie auch in den anderen Räumen vergebens. Als ein Discjockey hereinkommt, macht Disselkamp eine klare Ansage: „Es geht nicht, dass der DJ mit einer Kippe im Mund hinter seinem Pult steht. Du musst schauen, wie du dir das mit den Pausen einteilen kannst.“ Der DJ nickt. Eine Barfrau dagegen zeigt wenig Verständnis. „Wer ausgeht, ist über 18, trinkt harten Alkohol und nimmt womöglich auch Drogen. Die laute Musik schädigt das Gehör. Und dann soll man nicht rauchen dürfen“, ereifert sie sich. Dabei geht es beim Rauchberbot auch um ihr Wohl. Clubchef Disselkamp erinnert daran, dass viele seiner Angestellten fast jede Nacht arbeiten. „Welche Branche lässt das zu, dass ihre Angestellten so vollgequalmt werden?“ fragt er. Als Vorsitzender der Clubcommission, einer Art Interessensvertretung der Berliner Diskobetreiber, hat er sich deshalb vehement für das Rauchverbot eingesetzt.
Auch Nichtraucher solidarisieren sich mit den frierenden Rauchern, die längst nicht mehr alle unter den Heizpilzen Platz finden. „Mir ist das egal“, sagt der 18-jährige Nikos, neben dem ein Freund gerade eine Zigarette anzündet. Rauchen sei eben eine soziale Sache, erklärt sich das Phänomen die 26-jährige Cat, die selber eine Kippe im Mundwinkel hat. Und auch Disselkamp weiß, dass Nichtraucher eher den Rauchern in Clubs folgen würden als anderhersrum. Deswegen hält er die gesetzliche Regelung für nötig. „Der freie Markt kann das nicht regeln. Als Gastronom kann ich es mir nicht leisten, gut die Hälfte meiner potenziellen Gäste auszuschließen.“ Er erwartet, dass das Verbot akzeptiert wird.
Im Sage Club formiert sich derweil eine andere Protest-Fraktion: Die nichtrauchenden Kickerspieler murren. „Draußen ist es viel zu kalt“, beklagt sich die 30-jährige Steffi. Denn früher standen die Kickertische drinnen. Im Warmen.
Matthias Jekosch