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Berlin: Steine, die zu denken geben

Am Dienstag wird das Holocaust-Mahnmal eröffnet – was die Besucher sagen, die durch den Zaun einen Blick auf die Stelen werfen

Die einen flüstern, andere sagen laut, was sie denken. Viele schweigen, manche schütteln den Kopf und gehen weiter, bis zu den Bild-Text-Tafeln am Bauzaun. Die erklären uns, wie und warum diese Masse dunkelgrauer Betonblöcke in die einstigen Ministergärten kommt. Hier ist zu lesen, dass das Denkmal für die ermordeten Juden Europas schon vor 1989 geplant war, als an dieser Stelle an der Ebertstraße noch die Mauer stand.

17 Jahre später kann es ein junger Soft-Ingenieur aus München „gar nicht erwarten, da reinzugehen“. Der Tourist findet das Mahnmal „sehr gut gemacht“, weil einem hier „eine Menge Dinge durch den Kopf gehen“, und das sei ja wohl der Zweck. Er nimmt seine kleine Kamera und hält sie durch den Zaun, der am kommenden Donnerstag früh abgebaut wird – dann gibt es ganz andere Perspektiven und Dimensionen als gestern, wo wir mit zig Berlinern und Touristen das Gelände umkreisten. „Das ist wegen der Amis“, sagt einer. „Nein, wegen der Juden“, korrigiert ihn sein Freund. Ein Architekt aus Marzahn („achtunddreißig geboren“) versucht vergebens, sich Wellenlinien bei den Stelen auszumalen, er findet „eine Erinnerung an die schlimmste Zeit der deutschen Geschichte samt Denkmal ganz in Ordnung“, aber „bitte doch nicht so monumental“. Einen Berliner, der vor Jahren nach Mainz gezogen ist, stört, dass das Mahnmal nur für eine Opfer-Gruppe gebaut wurde, „vom Preis für den Steuerzahler mal ganz abgesehen“. „Die Grafittisprayer werden sich freuen“, sagt eine Frau im Vorübergehen, und wie gerufen tauchen zwei dunkel gewandete Security-Menschen auf, die beruhigen, sie seien ja schließlich auch noch da; im Übrigen wäre die zurzeit am häufigsten gestellte Frage, wann denn das Mahnmal nun endlich eröffnet wird. Antwort: Übermorgen ab 14 Uhr mit der Prominenz, für sie ist ein riesiges weißes Gebäude am Ostrand des Mahnmals aufgebaut. Ab 12.Mai dann für jedermann. „Wie erfahre ich dann, was der Sinn des Ganzen ist?“, fragt eine Touristin aus Kanada, die mit ihrer Freundin aus Aachen die Stadt erkundet, „und überhaupt: Was tut das Mahnmal für die Umwelt?“ Ob man später ungestraft auf die Stelen klettern darf, möchte ein Vater mit zwei Kindern wissen, „ich bin sehr beeindruckt und fände es doch schade, wenn der Stein darunter leidet“.

Eine Gruppe niederländischer Touristen hört aufmerksam zu, als ihr Stadtführer Achim Dudde das Mahnmal erklärt und offen bekennt, dass es ihm gut gefällt und er sehr gespannt darauf ist, bald mit den Gästen durch diese Stelen zu gehen. „Viele finden das Bauwerk ziemlich monumental, aber gerade die Niederländer, die im Übrigen von Berlin total begeistert sind, respektieren die offene Art, wie wir mit der Erinnerung umgehen – unverkrampft, ohne die Vergangenheit zu verstecken. Die Säulen haben etwas sehr Großstädtisches, das passt zu Berlin.“

An den Bauzaun hat jemand eine Rose geklemmt. Arbeiter polieren die Steine, damit sie glänzen, wenn dann die Menschen im Steinwald verschwinden. Oder Besucher trinken gegenüber in der Behrenstraße im neuen Bistro „Metzkes Deli“ einen Cappuccino.

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