zum Hauptinhalt
Gestoppt – dabei viel beachtet und preisgekrönt: Das Wohn- und Forschungsquartier.

© Simulation: Kleihues/Graft

Exklusiv

Gericht verhandelt Klage am Freitag: Streit um Baufläche am Holzmarkt könnte Berlin bis zu 50 Millionen kosten

Der Eckwerk-Bau am Holzmarkt steckte jahrelang fest. Wegen Baustadtrat Florian Schmidt? Die Genossenschaft fordert Millionen.

Das jahrelange Gezerre um die Baufläche an Berlins buntester und innovativster Kulturadresse „Holzmarkt“ könnte das Land Berlin bis zu 50 Millionen Euro kosten. 

Am Freitag verhandelt das Landgericht Berlin eine Klage der Entwicklungsgesellschaft „Eckwerk“, die dem umstrittenen Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg Florian Schmidt (Grüne) vorwirft, die vor seinem Amtsantritt gemeinsam mit Bezirk und Land angeblich genehmigungsreifen Baupläne der Genossenschaft Eckwerk aus undurchsichtigen Motiven blockiert zu haben. Der zunächst festgelegte Streitwert: 19 Millionen Euro Euro.

Der „Holzmarkt“ an der Spree, gegenüber vom Ostbahnhof, zählt zu den weit über Berlin hinaus bekanntesten genossenschaftlich und dem Gemeinwohl verpflichteten neuen Stadtquartieren. Hervorgegangen aus einer Idee von Kulturschaffenden um die Gründer der Berliner Club- und Freizeit-Ikonen „Bar25“ und „Kater Holzig“ entstand eine kleine Siedlung mit Club, Café, Restaurant, Bäckerei, Konditorei, einer Bierbrauerei und dem offenen Nutzgarten „Mörchenpark“.

Sie alle eint das Ziel, nachhaltig erzeugte regionale Produkte anzubieten.

Eigentlich habe es sich nur noch um Formalien gehandelt

Das Eckwerk mit fünf Hochhäusern am S-Bahn-Viadukt sollte das Angebot erweitern um Büros sowie Studenten-, Musiker- und Gründer-Buden, damit die teils prekären und von Verdrängung bedrohten Start-ups der Musik-, Kultur- und Digitalszene von Friedrichshain und Kreuzberg einen Platz finden.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

„Der Bebauungsplan, den die Genossenschaft in Abstimmung mit dem Bezirk und dem Land fertig gestellt hatte, musste nur noch öffentlich ausgelegt und vom Bezirksparlament bestätigt werden“, sagt der Rechtsanwalt der Eckwerk, Thorsten Krull. Das seien Formalien gewesen. Denn alle Fraktionen hätten das Projekt befürwortet. Und der damalige Baustadtrat Hans Panhoff habe es begleitet und gefördert.

„Schmidt hat die Auslegung gestoppt, aber uns nie erklärt warum“

Sogar international fanden die Pläne der Brad-Pitt-Architekten Graft und des Chefplaners von BND-Neubau und Pergamon-Sanierer Kleihues+Kleihues Beachtung: Aus Holz gebaute Türme, die durch eine außenliegenden Durchwegung miteinander verbunden waren.

Als „Leuchtturmprojekt“ innovativen Städtebaus wurde das Eckwerk im Beisein des damaligen Stadtentwicklungssenators Andreas Geisel auf der französischen Immobilienmesse Mipim in Cannes ausgezeichnet.

Dann kamen die Wahlen – und der neue Baustadtrat hieß Florian Schmidt. „Schmidt hat die Auslegung gestoppt, aber uns nie erklärt warum“, sagt Krull.

[Wo entstehen neue Wohnungen - konkret in Ihrem Kiez? Eines der Top-Themen in unseren Newslettern aus den 12 Bezirken. Die Newsletter gibt es kostenlos und schnell hier: leute.tagesspiegel.de]

Gestritten und verhandelt wird seit drei Jahren um das Bauprojekt. Politiker des Bezirks und des Landes besuchten die Brache und stellten die Verwaltung zur Rede. Mal hieß es, die Zahl der Wohnungen sei zu gering, ein anderes Mal das Konzept wegen der Wohnungsnot überholt, es müssten Sozialwohnungen her.

Dabei liegt die Brache eingekesselt zwischen S-Bahn-Viadukt und lärmender Holzmarktstraße im städtebaulichen „Kerngebiet“, das baurechtlich üblicherweise nur eine überwiegend gewerbliche Nutzung zulässt.

„Wir wissen nicht genau, was Schmidt will“, sagt Krull. Eines hat der Baustadtrat aber erreicht: Der Pachtvertrag wurde der Eckwerk von der Grundstückseigentümerin, der Schweizer Stiftung Abendrot, gekündigt, weil die Schaffung von Baurecht nicht abzusehen war.

Angeblich verhandelt Schmidt mit der Stiftung

Angeblich verhandelt Schmidt mit der Stiftung und einer anderen Firma über neue Pläne. Im Juli hatte der Baustadtrat den Durchbruch verkündet, eine Einigung zur Entwicklung des Areals mit der Stiftung Abendrot.

Wenige Tage später dementierte das jedoch die Stiftung gegenüber dem Tagesspiegel. Zuletzt teilte Stiftungspartner Hans-Ulrich Stauffer im Dezember auf Anfrage mit, man befinde sich „in Verhandlungen“, es gebe „keine Beschlüsse zur künftigen Entwicklung“. Am Donnerstag hieß es, „dies ist immer noch der Stand“.

Eckwerk sitzt nach eigenen Angaben auf Kosten von 19 Millionen Euro

Nur eins ist klar: Die Eckwerk ist raus und sitzt nach eigenen Angaben auf Kosten von 19 Millionen Euro. Hinzu komme der entgangene Wert des Grundstücks: Bei 60 Millionen Euro liege er aktuell.

Deshalb sei eine Ausweitung der Klage möglich, falls das Gericht dem Grunde nach eine „Amtshaftung“ von Schmidt, dem Bezirk und dem Land anerkennt.

Dass Revanche oder Geldschneiderei im Spiel sei, weist der Eckwerk-Rechtsanwalt zurück.

„Wir waren und sind für eine Einigung offen“

„Wir waren und sind für eine Einigung offen, auch für ein gerichtliches Schiedsverfahren, das Schmidt aber ablehnte“, sagt Krull. Die Neubaupläne von den Stararchitekten Graft und der BND-Architekten Kleihues+Kleihues seien gleichsam in Auftrag des Bezirks „bis zur Baureife“ entwickelt worden. 

Sogar eine Tochter der landeseigene Wohnungsbaufirma Gewobag sei an der Firma Eckwerk beteiligt. Die Planungskosten hätten aber Genossenschaftlern des „Holzmarkt“-Projektes finanziert. Und die Eckwerk-Geschäftsführer seien dazu verpflichtet, diese „Vorleistungen“ zurückzufordern, nachdem die Gespräche nunmehr endgültig gescheitert seien. Selbst bei einer Pleite der Eckwerk würde ein dann eingesetzter Insolvenzverwalter das versuchen.

Mehr Artikel zum Thema:

In der Klageschrift steht, die Eckwerk verlangt eine Verurteilung des Landes Berlin vertreten durch Schmidts bezirkliche Bauabteilung dazu, „einen Betrag in Höhe von 19.134.916,15 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozent zu zahlen“ wegen der „pflichtwidrigen Einstellung eines Bebauungsplan-Verfahrens“.

Baustadtrat Schmidt wird wiederholt zitiert und vorgeworfen, die jahrelang gemeinsam mit dem Bezirk entwickelten und abgestimmten Pläne verhindert zu haben. Mutmaßliches Motiv: „einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft ein Baugrundstück zu verschaffen“ und so „seine politische Agenda umzusetzen“. Und „dieses Verhalten (von Schmidt; Anm. d. Red.), diese Umstände lösen die hier geltend gemachten Erstattungs- und Schadensersatzansprüche aus“, heißt es in der Klageschrift.

Baustadtrat Florian Schmidt teilte am Donnerstag mit, er wolle sich „zu laufenden Verfahren“ nicht äußern. Und schrieb dazu: „Warum warten Sie nicht morgen ab?“, ein Verweis auf den Gerichtstermin am Freitag

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false