
Neubesetzung: Streit um Nachfolge des Polizeipräsidenten
Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch geht Ende Mai 2011 in den Ruhestand. CDU und Grüne fordern eine Stellenbesetzung erst nach der Abgeordnetenhauswahl.
Das Anforderungsprofil eines Polizeipräsidenten ist anspruchsvoll: Er muss die Behörde „zielorientiert unter Berücksichtigung gesamtstädtischer Belange nach innen und nach außen“ vertreten, fachlich kompetent sein, Eigeninitiative zeigen, Entscheidungen konsequent umsetzen und mit den politischen Ansichten und Zielen des Senats grundsätzlich übereinstimmen. So steht es in der Stellenausschreibung der Innenverwaltung. Ende Mai geht der amtierende Polizeipräsident Dieter Glietsch in den Ruhestand. Und am 1. Juni – gut vier Monate vor der Abgeordnetenhauswahl – will der Senat Glietschs Nachfolger ins Amt berufen, zum Ärger von CDU und den Grünen.
„Es ist undemokratisch, so ein herausragendes Amt noch vor der Wahl zu besetzen“, kritisiert Grünen-Innenpolitiker Benedikt Lux. Ein Polizeipräsident sei der Regierung zur Loyalität verpflichtet. Man sollte es dem Nachfolger von Glietsch „ersparen, seine Loyalität neu auszurichten“, spricht Lux die aktuellen Umfragewerte für die Grünen an, die mit 27 Prozent mit der SPD zurzeit gleichauf liegen. Der Senat wolle jetzt schnell noch vollendete Tatsachen schaffen und der Nachfolgeregierung ein „Kuckucksei ins Nest legen“, sagt CDU-Innenpolitiker Robbin Juhnke. Die Besetzung des Postens vor der Wahl habe ein „politisches Geschmäckle“. Die Gewerkschaft der Polizei äußerte sich am Sonntag nicht offiziell dazu.
FDP-Innenpolitiker Björn Jotzo plädiert für eine zügige Besetzung ohne kommissarische Interimslösung. „Die Polizei braucht einen funktionsfähigen Stab“, sagt er. Das sagen auch die Innenpolitiker der SPD und der Linken, Thomas Kleineidam und Marion Seelig. Auch Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verteidigt die zeitnahe Stellenbesetzung. „Angesichts der Bedeutung dieser sicherheitsrelevanten Stelle ist eine zeitliche Verschiebung der Besetzung nicht sinnvoll und angemessen“, sagte Körting dem Tagesspiegel. Außerdem sei die Mitwirkung der Parteien bei der Auswahl durch eine gesetzliche Änderung abgeschafft worden.
Dieter Glietsch war vor seinem Amtsantritt in Berlin Polizeiinspekteur im Düsseldorfer Innenministerium und damit der höchste Vollzugsbeamte Nordrhein-Westfalens. Er wurde 2002 noch vom Abgeordnetenhaus in sein Berliner Amt gewählt. Der Senat beschloss 2004, das Landesbeamtengesetz zu ändern. Seitdem ernennt der Senat den Polizeipräsidenten. Mit der Neuregelung wurden auch die Altersgrenzen im Vollzugsdienst je nach Laufbahn und Dienstgrad um ein bis fünf Jahre angehoben. Die Dienstzeit von Dieter Glietsch wäre regulär nach Vollendung seines 61. Geburtstags am 2. Mai 2008 beendet gewesen. Körting verlängerte mit Zustimmung des Polizeipräsidenten dessen Dienstzeit um weitere drei Jahre bis 2011. Auch die Opposition begrüßte damals die Dienstzeitverlängerung, die maximal drei Mal für ein Jahr beantragt werden kann. Selbst die beiden Polizeigewerkschaften verschickten keine Protestschreiben.
Glietsch ist SPD-Mitglied, tritt aber nicht aktiv als Parteimitglied auf. Der 63-Jährige gilt als loyal und fachlich sehr kompetent. Im März 2010 bekam Glietsch mit der Juristin Margarete Koppers eine neue Polizeivizepräsidentin an seine Seite. Die Stelle war seit September 2009 vakant, nachdem Gerd Neubeck als Sicherheitschef zur Deutschen Bahn gewechselt war. Koppers werden als Nachfolgerin von Glietsch nur geringe Chancen eingeräumt. Wer Glietsch folgen könnte, ist zurzeit noch völlig offen.