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Extremismus: Thierse warnt vor Rechtsruck in der Polizei

Bundestagsvize-Präsident Thierse geht nach umstrittenen Äußerungen von Berliner Polizeischülern nicht zwingend von einem antisemitischen Hintergrund aus. Auch er fordert eine Untersuchung der Vorfälle.

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Berlin - "Nur der Verdacht, dass antisemitischer Korpsgeist sich in der Polizei ausbreitet, wäre gefährlich", sagte Wolfgang Thierse (SPD) der "Berliner Zeitung". Er forderte eine Untersuchung der Vorwürfe. Sollten sich diese bestätigen, müssten Konsequenzen gezogen werden, so der Bundestags-Vizepräsident.

Einem Zeitungsbericht zufolge soll eine ganze Klasse angehender Polizisten in einer obligatorischen Unterrichtseinheit über die Zeit des nationalsozialistischen Regimes erklärt haben, sie wolle nicht dauernd an den Holocaust erinnert werden. Zudem sollen Bemerkungen gefallen sein, dass Juden reiche Leute seien.

Überdruss an der Demokratie-Erziehung?

Der SPD-Politiker warnte vor Verallgemeinerungen. Er unterstelle der Polizei einen demokratischen Geist. Bei einem Teil der jungen Leute bestehe aber die Gefahr, aus einer Mischung aus Widerspruchsgeist oder aus Überdruss an der Demokratie-Erziehung zu derartigen widerwärtigen Aussagen und Inszenierungen zu greifen. Es müsse geklärt werden, ob dabei Einflüsse von außen oder aus der Polizei gewirkt hätten. "Nichts wäre gefährlicher, als wenn Rechtsextremisten in die Reihen der Polizei hinein wirken könnten", sagte er.

Der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, nannte die Vorgänge einen "Skandal". Zugleich sagte Kramer der "Berliner Zeitung": "Ich habe Vergleichbares auch erlebt." Meinungen wie bei der Polizei seien in vielen öffentlichen Institutionen zu hören. Kramer warnte davor, in solchen Fällen die Lösung nur im Disziplinar- und Strafrecht zu suchen. Das Problem des Antisemitismus müsse der gesamten Gesellschaft bewusst gemacht werden.

Freiberg: Keine vorschnelle Verurteilung

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, drängt darauf, dass die antisemitischen Vorwürfe gegen Berliner Polizeischüler vollständig und zügig aufgeklärt werden. "Extremisten können wir in den Reihen der Polizei nicht gebrauchen», sagte Freiberg der "Berliner Zeitung". "Das schadet der Polizei." Der GdP-Chef nannte die Vorwürfe bestürzend, warnte aber vor vorschnellen Urteilen. Zunächst müssten die Ermittlungen abgewartet werden.

Freiberg ging aber davon aus, dass es sich um Einzelfälle handelt. "Die Menschen können davon ausgehen, dass die demokratische Polizei mit Rechtsextremisten nicht zu tun hat", unterstrich er. Die Polizei stehe auf dem Boden des Grundgesetzes. Dies garantiere die strenge Auswahl der Polizeischüler wie auch die gute Ausbildung von Polizisten.

Knobloch: Schlag ins Gesicht für Holocaust-Überlebende

Freiberg sieht eine zentrale Aufgabe der GdP darin, derartige Vorkommnisse innerhalb der Polizei aufzuklären. Die Gewerkschaft sei ein Ansprechpartner, wenn Polizisten solche Vorfälle in den eigenen Reihen melden wollten, sagte Freiberg.

Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, forderte ein hartes Vorgehen der Verantwortlichen. Sie verlangte eine Bestrafung der Schüler, wenn sich die Vorwürfe bestätigen sollten. Solche Ausfälle seien nicht hinnehmbar, sagte sie der "Berliner Zeitung". Für Holocaust-Überlebende wirke es wie ein Schlag ins Gesicht, das Morden der Nazis überlebt zu haben und sich dann von Nachgeborenen solch schändliche Äußerungen anhören zu müssen. (tso/ddp)

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