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© imago images/Jürgen Ritter

Umstrittene Ersatzfreiheitsstrafen: In Berlin kamen 2023 deswegen schon rund 1600 Menschen ins Gefängnis

Das Urteil sieht eine Geldstrafe vor – und doch landen viele Straftäter im Gefängnis. In der Regel, weil sie die Zahlung nicht leisten können. In Berlin gilt das jährlich für Hunderte Menschen.

In Berlin verbüßen wieder mehr Menschen eine Gefängnisstrafe als Ersatz für nicht gezahlte Geldstrafen. Im ersten Halbjahr 2023 landeten deswegen 1606 Betroffene in Haft, wie die Senatsjustizverwaltung auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mitteilte.

Im gesamten Vorjahr verbüßten demnach 2390 Menschen eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe. In den beiden Jahren zuvor waren es lediglich 1645 (2021) und 1418 (2020) Personen. Der Grund dafür war die Corona-Pandemie. In dieser Zeit war die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen für längere Zeiträume ausgesetzt. Dies sei bis in das vergangene Jahr hinein der Fall gewesen, hieß es.

Häufig sind verurteilte Schwarzfahrer betroffen

Angenommen, die Zahl der Ersatzfreiheitsstrafen entwickelt sich im zweiten Halbjahr 2023 vergleichbar wie in den ersten sechs Monaten, wird das Niveau von Zeiten vor der Pandemie erreicht. 2018 kamen 3046 Menschen ersatzweise in Haft, 2019 waren es 2781.

Häufig sind Menschen betroffen, die ohne Fahrschein öffentliche Verkehrsmittel genutzt haben und wegen Erschleichens von Leistungen verurteilt worden sind. In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres war das laut Justizverwaltung in 317 Fällen so. Im gesamten Jahr 2022 betraf es demnach 414 Menschen; 2018 waren es 788.

Seit langem wird darüber diskutiert, diese Straftat (Paragraph 265a StGB) zu einer Ordnungswidrigkeit herabzustufen. Aus Sicht von Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) könnte das Sinn machen wegen der Verhältnismäßigkeit im Vergleich zu anderen Straftaten. „Ich gebe dabei aber zu bedenken, dass die erhoffte Justizentlastung Augenwischerei ist und nicht das tragende Argument sein sollte“, sagte sie kürzlich in einem Interview der „Legal Tribune Online“. Die Belastung werde dann in den Ordnungsbehörden entstehen.

Geldstrafen werden vom Gericht mit Tagessätzen festgelegt, die sich am Einkommen des Betroffenen orientieren. Die Anzahl der Tagessätze richtet sich nach der Schwere des Vergehens. Eine Gesetzesänderung sieht vor, dass die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe halbiert wird. Bisher entsprach die Zahl der Tage, die jemand für das Nichtbezahlen einer Geldstrafe hinter Gitter musste, den Tagessätzen, zu denen er verurteilt wurde. Künftig ist es nur noch die Hälfte der Tagessätze.

Mehr gemeinnützige Arbeit könnte Kosten sparen

Die Gefängnistage können auch durch gemeinnützige Arbeit wie Pflege von Parks und Grünanlagen ausgeglichen werden. Gemeinnützige Arbeit ist bei Einrichtungen möglich, die eine Vereinbarung mit den Sozialen Diensten der Justiz geschlossen haben. Das spart auch der Justiz Kosten. Im vergangenen Jahr seien die Gesamt-Tageshaftkosten mit 229,12 Euro veranschlagt gewesen, hieß es von der Justizverwaltung. 2022 saßen demnach rund 8360 Menschen in den sieben Berliner Gefängnissen ein.

Auch in Brandenburg stieg die Zahl der Gefangenen mit Ersatzfreiheitsstrafe wieder – sie lag im Jahr 2022 bei 150, im Jahr davor waren es 110 Fälle und 2020 sogar nur 76. Das erklärte ein Sprecher des Justizministeriums auf Anfrage der dpa. Vor der Pandemie lagen die Zahlen mit 149 im Jahr 2019 und 121 im Jahr 2018 ähnlich hoch wie 2022. Die vergleichsweise niedrigen Zahlen für Ersatzfreiheitsstrafen in den Jahren 2020 und 2021 seien auf die Coronapandemie zurückzuführen, so das Ministerium. (dpa)

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