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Berlin: Von der Partei zermürbt

Grünen-Chefin Regina Michalik tritt nach vier Jahren ab

Von Sabine Beikler

Eigentlich wollen die Berliner Grünen eine eierlegende Wollmilchsau: das perfekte Organisationstalent, rhetorisch brillant, basisorientiert, integrativ und gleichzeitig führungsstark, mit besten Kontakten zur Bundesebene und Interesse für Gleichstellung, neudeutsch Gender Mainstreaming. So in etwa sieht das Anforderungsprofil für einen Grünen-Parteichef oder eine Chefin aus. Lange hält das keiner durch. Nach nicht einmal vier Jahren schmeißt Regina Michalik als weiblicher Part der Doppelspitze das Handtuch. So ein Amt sei eine „anstrengende Tätigkeit“, sagt sie diplomatisch, bis die eigene Verletztheit ein paar Minuten später aus ihr herausbricht: „Bei den Grünen wird man als Parteichefin von der Basis nicht immer geliebt.“

Die Berliner Grünen haben sich noch nie sonderlich hervorgetan, wenn es um innerparteiliche Solidarität ging. Erwartet wird von der Parteispitze das Hochhalten einer Diskussionskultur, die mitunter masochistische Züge trägt, aber verändern möchte man dann doch nicht gern was. „Fenster lüften ist unangenehmer als in der quälenden Stillstandsphilosophie auszuharren“, sagt ein früherer Grünen-Spitzenpolitiker. Regina Michalik hat das oft mitgekriegt.

Vor drei Monaten hatte eine sichtlich zermürbte und den Tränen nahe Parteichefin auf einer Landesdelegiertenkonferenz den Verzicht auf eine weitere Amtszeit verkündet. Vorausgegangen war eine langwierige Satzungsdebatte über die künftige Finanzierung des Landesvorstands. Am liebsten hätten einige Basis-Grüne den Landesverband seiner Finanzhoheit gänzlich beraubt. Letztlich siegte aber doch die Einsicht, dass noch nicht einmal das Honorar für die Landeschefs angemessen ist. Was folgte, war ein „Reförmchen“, das Michalik durchsetzen konnte: Statt bisher 2500 Euro bekommt jeder Landeschef künftig 4000 Euro als monatliche Honorarbasis. „Jetzt kann man wenigstens hauptberuflich Politik machen“, sagt die 45-jährige Diplompsychologin süffisant.

Schon damals, 1999, hatte sich Regina Michalik nicht aus völlig freien Stücken, sozusagen aus tiefstem Herzen, zur Kandidatur für den Posten der Landesvorsitzenden entschlossen., sondern war von Parteifreunden gebeten worden. Der Posten war auch damals nach dem Rücktritt der Parteichefin vakant. Michalik, die von 1995 bis 1999 in der Reinickendorfer BVV saß, hatte zwar noch keine landespolitische, dafür aber bundespolitische Erfahrung. Mitte der achtziger Jahre baute sie die Geschäftsführung der Bundestagsfraktion der Grünen als „Mädchen für alles“ auf und wurde 1987 Bundesvorstandssprecherin. Später kehrte sie der Partei nach internen Intrigen für mehrere Jahre den Rücken.

Als sie 1999 zur Landesvorsitzenden gewählt worden war, standen heikle parteiinterne Diskussionen über die künftige Rolle der Partei in der Hauptstadt an. Vorangebracht hat sie diese Debatte nicht. Parteifreunde kritisierten, Regina Michalik sei zu zögerlich und übervorsichtig. Sie scheue davor zurück, sich mit den Parteiflügeln anzulegen. Auch die kurze Beteiligung an der rot-grünen Senatskoalition, der darauffolgende erneute Gang in die Opposition sowie der anstehende Generationswechsel in der Partei haben ihren Niederschlag nicht in einer Strategie-Debatte gefunden. Regina Michalik sieht das heute als Versäumnis an, sagt aber auch, dass sie sich von einigen Parteifreunden „mehr Unterstützung“ gewünscht hätte. Jetzt will sie sich erst einmal eine Auszeit, ein Sabbat-Jahr gönnen. Was sie danach machen will, lässt Regina Michalik offen. Eines ist aber klar: „Politik bleibt eine meiner größten Leidenschaften.“

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