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Berlin am Berg bleibt ein Wunschtraum.

© Getty Images, Istockphoto. Montage: Tsp.

Exil-Österreicher in Berlin: Von der Sehnsucht nach den Alpen

Fernsehturm statt verschneites Gesteinsmassiv: Eine gebürtige Salzburgerin träumt in Berlin von den Bergen.

Die Tür des Fliegers geht auf, ich hebe den Blick und da ist er schon: Der Untersberg. 1972 Meter hoch ist er das Erste, was ich sehe, wenn ich in meiner Heimatstadt Salzburg am Flughafen ankomme. Mit ihm stellt sich sofort das Gefühl ein, zu Hause zu sein. Wenn ich in Tegel oder Schönefeld lande, suche ich vergeblich nach Erhebungen. Nur eins kann ich mit Sicherheit sagen, wenn nicht mal ein kleiner Hügel hinter all den Häusern zu sehen ist: Ich bin weit weg von daheim.

Die Abwesenheit der Berge begleitet mich durch Berlin. Vergeblich suche ich meine alten Orientierungspunkte: Den Mönchsberg, den Kapuzinerberg, die Burg auf dem Festungsberg – und finde lediglich den Fernsehturm. Der kann einfach nicht mithalten mit der mehr als 900 Jahre alten Festung oder den beiden Stadtbergen, die im Winter angezuckert, im Sommer grün und im Herbst herrlich bunt sind. Fährt man raus aus der Stadt, erwarten einen Windräder auf plattem, brandenburgischem Land anstelle der mächtige Alpennordseite.

Ohne Berg keine Mythen

Es geht nicht darum, dass ich es vermisse, wandern zu gehen oder Ski zu fahren. Ein großer „Bergfex“ – österreichisch für leidenschaftliche Bergsteiger – war ich noch nie. Ich schaue sie einfach gerne an, die Berge. Vor allem im Winter, wenn Schnee die steilen Hänge teilweise bedeckt, darunter aber noch der schroffe Berg durchschimmert. Es hat etwas Majestätisches, auch etwas Bedrohliches. Besonders, weil in Salzburg oft Nebel um die Gesteinsformationen wabert und die Gipfel verhüllt.

Neben dem beeindruckenden Erscheinungsbild gibt es auch noch die Mythen, die Großeltern erzählen. Im Untersberg etwa wohnen demnach kleine Männchen, „Untersberg Mandln“ genannt. Die Zwergenwesen versorgen Kaiser Karl den Großen, der dort – obwohl eigentlich in Aachen begraben – auf seine Auferstehung wartet. Zurückkehren kann er erst, so die Legende, wenn keine Raben mehr um den Berg kreisen. Alle hundert Jahre wacht er auf, und wenn die Vögel noch da sind, legt er sich wieder hin. Eine andere Geschichte erzählt von Friedrich Barbarossa, der im Untersbergmassiv schläft. Sein Bart wächst dabei um einen runden Tisch, zwei Mal reicht er schon herum. Wenn er so lang ist, dass er zum dritten Mal um den Tisch geht, ersteht der frühere Kaiser des römisch-deutschen Reiches. Ob Karl oder Barbarossa: Ihre Rückkehr leitet in den Sagen das Ende der Welt ein. Von Salzburg aus. Berlin, hüte dich.

Der Teufelsberg ist ein besserer Hügel

Mit solchen Geschichten kann auch der Teufelsberg mit seinen alten US-Abhöranlagen nicht auftrumpfen. Wobei das natürlich auch kein Berg ist. 120 Meter hoch, das ist ein besserer Hügel und kann kein Ersatz sein für mich. Von der Größe abgesehen, sind auch die Namen enttäuschend: Kienberg, Oderbruchkippe und Großer Müggelberg klingen einfach nicht so schön nach Heimat in meinen Ohren wie der Zuckerhütl in Tirol, Bernkogel und Edelweißspitze bei Salzburg und der Hochstadl in der Steiermark.

Vielleicht besteige ich demnächst gegen das Heimweh den „Alpengipfel“ im Freizeitpark Marienfelde. Klingt ja vielversprechend. Bei nicht mal 80 Metern bin ich jedoch skeptisch, ob meine Sehnsucht nach den Bergen hier befriedigt werden kann.

Melanie Berger lebt seit 2014 in Berlin, ist Volontärin beim Tagesspiegel - und heißt wirklich so.

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