Berlin: „Vor Gericht steht das System der CDU“
SPD-Chef Müller weist Vorwürfe von Union und Grünen zurück
Stand:
Hat Sie das Urteil des Landgerichts überrascht? Viele haben insgeheim mit einem Freispruch gerechnet.
Nein, ich habe nicht mit einem Freispruch gerechnet. Schon der Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses hat das Fehlverhalten Klaus Landowskys ans Licht gebracht. Ich bin sehr froh, dass dies vom Landgericht Berlin bestätigt wurde.
Was ist die Botschaft dieses Urteils aus Ihrer Sicht?
Erstmalig wurden in der deutschen Rechtsprechung Managementfehler von Wirtschafsführern geahndet. Aber es stand in diesem Fall nicht nur der Banker Landowsky vor Gericht, sondern das System der Berliner CDU: Dass nämlich der Fraktionschef einer Regierungspartei gleichzeitig Manager einer landeseigenen Bank sein konnte, was die parlamentarische Kontrolle der Bankgesellschaft sehr erschwerte.
CDU und Grüne werfen der Berliner SPD vor, sich ihrer politischen Mitverantwortung für den Bankenskandal zu entziehen. Die SPD solle sich entschuldigen, fordern die Grünen sogar. Werden Sie sich nun entschuldigen?
Diese Forderung ist eine Unverschämtheit. Die SPD war beteiligt an der Gründung der Bankgesellschaft, aber die Gründung einer Bank ist nichts Verwerfliches. Im Gegensatz zu der Verquickung von politischen Ämtern und der Führung einer öffentlichen Bank. Das hat es bei den Sozialdemokraten nie gegeben. Und es ist im Zuge der Bankenaffäre auch kein sozialdemokratischer Politiker angeklagt worden. Da haben die Ermittlungsbehörden und Gerichte offenbar eine ganz andere Einschätzung zur Rolle der SPD als die Grünen.
Die Liberalen fordern, nunmehr müssten sämtliche öffentlichen Unternehmen privatisiert werden, damit Filz und Korruption ein für allemal verhindert werden können.
Das ist natürlich dummes Zeug. Da nehmen die Freien Demokraten das Fehlverhalten in einem Einzelfall, nämlich dem Fall Landowsky, zum vordergründigen Anlass, endlich ihre Politik der totalen Privatisierung durchsetzen zu wollen. Das werden wir nicht mitmachen.
Ist das Urteil des Landgerichts der Schlussstrich unter die seit mehreren Jahren nachwirkende Bankenaffäre?
Erst einmal muss man sehen, wie die juristische Aufarbeitung fortgesetzt wird. Ob es gegen das Urteil des Landgerichts Revisionsmöglichkeiten gibt, die auch ausgeschöpft werden, weiß ich nicht. Die Immobilienrisiken werden uns in jedem Fall noch eine ganze Weile beschäftigen. Aber nach der politischen Aufarbeitung des Systems Landowsky nähert sich die juristische Aufarbeitung offenbar dem Ende.
Das Gespräch führte Ulrich ZawatkaGerlach
Michael Müller (42)
ist seit 2004 Landesvorsitzender der Berliner SPD und Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten, für die er seit 1996 im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt.
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