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Berlin: Vorfahrt für Ausbildung

Spandau startet eine Initiative mit ehrgeizigem Ziel: Alle Schulabgänger sollen eine Lehrstelle erhalten

„Jeden Euro, den wir heute an der Ausbildung von Jugendlichen sparen, zahlen wir in 10 bis 15 Jahren hundertfach drauf“, sagte Bürgermeister Konrad Birkholz (CDU). Unter dem Motto „Vorfahrt für Spandauer Schüler“ hat der Bezirk eine Ausbildungsinitiative gestartet, mit der er Vorreiter für ganz Berlin sein will. Jeweils 400 Euro investiert das Bezirksamt in die berufliche Zukunft der zunächst 400 teilnehmenden Schülerinnen und Schüler.

„Jeder Jugendliche, der nach den Sommerferien keinen Ausbildungsplatz hat, ist einer zu viel“, sagt Teamleiterin Andrea Otto von der Spandauer Arbeitsagentur. In ganz Berlin blieben jährlich rund 1000 Jugendliche übrig, sagt Olaf Möller von der Agentur für Arbeit Berlin-Brandenburg. Und für das im Herbst beginnende Ausbildungsjahr stehen rund 13 000 Bewerbern nur 7800 Ausbildungsplätze gegenüber. „Schülerinnen und Schüler in der neunten Klasse interessieren sich für alles, nur nicht für die berufliche Zukunft“, so die Erfahrung von Andrea Otto. Immer mehr Jugendliche sind außerdem demotiviert. Sie kommen aus Familien, wo sich bereits Angehörige erfolglos um Arbeit bemühen oder die Suche aufgegeben haben, sagte die Leiterin des Spandauer Jobcenters, Marion Kermer. „Das Interesse muss geweckt und wachgehalten werden, das kann nur durch eine ständige Begleitung erfolgen“, so Andrea Otto. Wichtig sei, dass die Jugendlichen über den Unterricht hinaus die Beratungs- und Unterstützungsangebote nutzen, betonte der Leiter der Außenstelle der Senatsbildungsverwaltung, Volker Marquardt. Die frühzeitige „Konfrontation mit dem realen Arbeitsmarkt“ habe große Bedeutung.

Das Spandauer Projekt gründet sich auf drei Säulen, sagt der Initiator, Bildungsstadtrat Gerhard Hanke (CDU). Aus den Interessen, Wünschen und Eignungen der Jugendlichen werden individuelle Profile erstellt. Gleichzeitig werden die Ausbildungsbetriebe des Bezirks nach ihren Vorstellungen und Anforderungen befragt. Zusätzlich will man den Schülern gezielt Berufspraktika vermitteln und für die Bewerbung trainieren.

In einem dritten Schritt ist vorgesehen, Firmen zur Schaffung zusätzlicher Lehrstellen oder zur Aufnahme der Ausbildung zu animieren. Gerade kleinere Betriebe, die oft vor dem Verwaltungsaufwand zurückschrecken, sollen administrative Unterstützung erhalten. Im März startet die an Unternehmen und Multiplikatoren gerichtete Kampagne „Ausbildungsplätze jetzt“. Von rund 10 000 Spandauer Firmen bilden bisher nur etwa 500 aus.

160 000 Euro hat das Bezirksamt für das Projekt bereitgestellt; beteiligt sind zunächst jeweils zwei Haupt-, zwei Real- und zwei Gesamtoberschulen. Die Schüler und ihre Eltern erhalten in Kürze „Motivationsbriefe“ des Bezirksamtes. Mit der Projektdurchführung wurde der Verein „Sozial-kulturelle Netzwerke casa“ beauftragt, der dafür fünf Mitarbeiter und diverse Honorarkräfte einsetzt. Im Musikschulgebäude am Viktoriaufer 19 in der Spandauer Altstadt wurde gestern ein Büro eröffnet, dass auch anderen Jugendlichen als Informationsstelle dienen soll. „Wir begrüßen jede Initiative, die Schüler und Unternehmen zusammenführt“, sagt der Sprecher des Wirtschaftssenators, Christoph Lang.

Rainer W. During

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