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Eine Laube in der Kleingartenkolonie Panke e.V. in Wedding.

© Kitty Kleist-Heinrich

Vorschlag gegen hohe Mieten: 700.000 Wohnungen dank Kleingärtnern?

Berlin könnte das Wohnungsproblem sehr einfach lösen, behauptet ein Architekt. Der Kniff: Kleingärtner bekommen das Recht, ihre Parzelle zu bebauen.

Berliner aufgemerkt: Es gibt eine Zauberformel zur Lösung der Wohnungsnot, eine typische Berliner Lösung, von der möglichst viele möglichst gut profitieren. Alle Kleingärtner bekommen ihre Scholle für 99 Jahre verpachtet und dazu noch, Achtung: das Recht, ihre ohnehin viel zu große Datsche zu erhalten, sie zu vergrößern oder zu ersetzen durch ein dreigeschossiges Wohnhaus, kurz maximal ein Drittel ihres Gartens zu bebauen. Damit entstünde Wohnraum für mehr als 700.000 Menschen. Und den Bodenspekulanten würde schlagartig die Spekulationsgrundlage entzogen – wovon ganz Berlin profitieren würde.

Diesen Vorschlag macht der Architekt Julian Breinersdorfer. Der Mann entwirft Gebäude und begleitet große Bauvorhaben, der 39-Jährige baute in Berlin beispielsweise die „Factory“ in Mitte. Und er kennt deshalb auch die Überreizung am Grundstücksmarkt. „Weil es keine Grundstücke gibt, zahlen Entwickler absurde Preise“, sagt er.

Wenn es genug Bauflächen für alle Menschen gibt, dann sind sie günstig zu haben

Absurd heißt, dass Bauflächen so teuer sind, dass sie nicht ansatzweise mit Einnahmen aus den zurzeit üblichen Mieten für Büroräume oder Wohnungen finanziert werden können. Weil Mangel und Not aber so groß sind und keine städtebaulichen Perspektiven zu deren Lösung vorhanden, wetten alle auf weiter steigende Mieten und kaufen und warten.

Diese „extrem giftige Preisspirale“ wäre beendet an dem Tag, wo mit dem Baurecht für ein Drittel der Kleingärten schlagartig knapp 30 Millionen Quadratmeter Bauland auf den Markt kämen, so Breinersdorfer. Und diesen Satz würde wohl jeder Volkswirt unterschreiben: Wenn es genug Bauflächen für alle Menschen gibt, zum Beispiel auf dem Lande fernab der Metropolen, dann sind sie günstig zu haben.

Tolle Idee, stünde dem Plan nicht die mächtigste Lobby des Landes im Wege: die Kleingärtner. Aber während andere ganze Kolonien abreißen und die Kleingärtner von den Schollen vertreiben wollen, macht Breinersdorfer ihnen ein Angebot, das sie nicht ausschlagen können. Jeder einzelne von ihnen profitiert von dem Baurecht, weil das ihnen persönlich zugute kommt.

Durch das persönliche Baurecht, kommen Großinvestoren nicht zum Zuge, so Breinersdorfer

Will jemand nicht selbst bauen, verkauft er die Fläche, je nach Lage durchaus für sechsstellige Beträge. Baut er selbst, profitiert er, weil die Häuser bei durchschnittlichen Parzellengrößen von 400 Quadratmetern Platz für eine Einliegerwohnung haben. Dort können die Kinder mit Familie einziehen, die Großeltern oder sogar zahlende Untermieter. Würde die Front der Gegner bei derartigen geldwerten Vorteilen nicht gewaltig bröckeln?

„Das persönliche Baurecht hat außerdem den Vorzug, dass Großinvestoren nicht zum Zuge kommen“, sagt der Architekt. Für diese lohnten sich Siedlungsbauten „erfahrungsgemäß“ erst ab einer Größe von etwa 5000 Quadratmetern. So wurde die ganze Kolonie „Oeynhausen“ in Schmargendorf an einen Investor verkauft, abgeräumt und hoch verdichtet zubetoniert. Baugruppen und kleinteilige Eigentümerstrukturen sind dann ausgeschlossen.

Die Spekulation glaubt Breinersdorfer auch verhindern zu können

Das Gegenteil wäre bei Breinersdorfers „Ein Fünftel mehr Berlin“ der Fall: „Dörfliche Strukturen“ entstünden mit viel Grün, weil der Bebauungsplan auch die Begrünung aller Dächer vorschreiben würde, ebenso die Erhaltung älterer Bäume und eben des größten Teils der Kleingärten: die zwei Drittel, die nicht bebaut werden dürfen – und ein Zwang zu bauen bestehe nicht.

Und noch etwas will der Planer jedenfalls verhindern: Spekulation. Weil der Senat neues Bauland ausweist, kann er eine „Wertabschöpfung“ festlegen und beim Verkauf einer Parzelle müsste ein Anteil des Kaufpreises an das Land abgeführt werden.

Ein Nachteil lässt sich aber nicht ausräumen: Drei Geschosse, da wächst das Haus gut zehn Meter in die Höhe und für die dicht beieinander liegenden Parzellen dürfte mancher Kleingärtner, der nicht baut, keine Sonne mehr sehen. „Stimmt schon“, sagt Breinersdorfer – „aber dafür gibt es 99 Jahre Rechtssicherheit, den wertvollen Pachtvertrag als Geschenk“ – und Wohnraum für alle.

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