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Berlin: Wasser gepredigt, Wein gekauft

Bei der Sonntags-Demo gegen längere Öffnungszeiten wurden Verdi-Leute schwach – und shoppten

Es war zu verlockend, das „Taschenparadies“ am Breitscheidplatz, mit schicken Handtaschen für nur 4,99 Euro: Da können auch VerdiFrauen schwach werden, und mehrere trauten sich, vorsichtig umherblickend, in ihrer rot-weißen Gewerkschaftskluft in den Laden, um einzukaufen. An einem Sonntag! Wo doch gerade ein paar Schritte weiter unter großem Pfeifen, Trillern und Rasseln über 20 000 Teilnehmer aus allen Landesteilen auf der großen Demo gegen die geplanten längeren Wochenend-Öffnungszeiten protestierten. Wo Redner von „drei Millionen modernen Sklaven“ sprachen und damit Beschäftigte meinten, deren „Menschenwürde mit Füßen getreten“ werde.

Auch bei Leiser gegenüber sah man Verdi-Leute oder in der Wohltat’schen Buchhandlung, die mit Büchern für einen Euro warb. Gospara Haack gehörte zu der standfesten Mehrheit, die sich von Lockungen des verkaufsoffenen Sonntag in Berlin nicht beeindrucken ließ. Die Verkäuferin eines Supermarktes aus Halle in Westfalen sagte, sie habe für Einkäufe gar kein Geld mitgenommen. Gertrud Fetzer, Betriebsratsvorsitzende aus Alzey, sah inmitten von Kollegen streng auf Abtrünnige, die in angrenzenden Läden verschwanden. „Für Sonntagseinkäufe geben wir grundsätzlich kein Geld aus“.

Mit 350 Bussen und mehreren Sonderzügen waren die auswärtigen Teilnehmer für wenige Stunden nach Berlin gekommen, allein hunderte aus dem Ruhrpott und Hamburg. Wegen des ständigen Pfeifens wurden die Redner kaum verstanden, so dass sich etliche Demonstranten von offenen Läden nur zu gern ablenken ließen.C.v.L.

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